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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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schienen zu lauschen. Einer hob den Kopf, und für einen Augenblick sah Chet schemenhaft ein bleiches, ängstliches Gesicht. Ein Soldat der Flughafenmannschaft war neben ihn getreten und beantwortete die Frage, die Chet gar nicht gestellt hatte: Mach dir keine Sorgen – die haben keinen Hunger!
    Was denn sonst?!?, fragte Chet, mit einer für ihn ungewohnten Schärfe.
    Die wühlen da unten nicht für sich, fuhr der Soldat fort. Wir bezahlen ihnen genug für die Arbeit hier. Die durchwühlen die Mülltonnen, weil sie für ihre Familien was suchen. Die Familien haben nicht genug zu essen, das ist es! Und was die hier zutage fördern, ist immer noch besser als das meiste, was sie draußen kriegen.
    Der Mann zog den widerstrebenden Chet beiseite: Komm, nimm einen Drink! Vergiss es!
    Chet aber hatte für einen Augenblick ein Gesicht gesehen, das Gesicht eines Mannes, der im Müll wühlte. Das Gesicht des Mannes war müde und verzweifelt. Es war die Müdigkeit und die Verzweiflung schlechthin. Dieses Gesicht hatte Chet nicht mehr losgelassen.
    |131| Noch einen Whiskey! Chet versuchte, nicht an die im Abfall wühlenden Arbeiter vom Flughafen zu denken, aber je mehr er trank, umso deutlicher sah er das Gesicht vor sich, obwohl er es nur für einen Moment gesehen hatte. Ja, es kam ihm so vor, als gewönnen die Gesichter ring um ihn her immer mehr Ähnlichkeit mit diesem Verlorenen! Die Erinnerung spielte ihm einen Streich, der Alkohol. Er schüttelte sich. Es war zwei Tage her, verdammt! Er versuchte sich auf die Musik zu konzentrieren, auf das Heute, auf das Jetzt. Er wusste ja gar nicht mehr, wo er war. Eine Band spielte Tanzmusik, aber die süßlichen Melodien veränderten sich in Chets Kopf zu etwas Schrillem, Lautem, sie wurden dissonant. Chet dachte an Dizzy und an seine befremdliche, anstrengende Art zu spielen, er sehnte sich plötzlich danach. Das wäre Musik für diesen Club!, dachte Chet. Das wäre der Sound für die Männer, die im Müll wühlen mussten, die Frauen, die ihre Lippen mit Rote-Bete-Saft färbten, die Kinder, die sich um ein paar weggeworfene Glimmstengel prügelten. Der Jazz, den Dizzy spielte – das war der Sound von Berlin! Wen aber kümmerte das? Nicht einmal Dick. Das war alles nichts, was er Dick erzählen konnte. Der füllte sicher noch seine gut zahlenden Freunde ab, und die lachten bereitwillig über seine Streiche. Es war auch nichts, was er Moni mitteilen konnte. Moni – wo war sie überhaupt? Er hatte sich seit Stunden nicht um sie gekümmert, aber jetzt kam eine kleine Gereiztheit in ihm auf, so, als gehörte die fremde Frau doch irgendwie zu ihm, er musste sie im Blick behalten, das gehörte sich so, selbst, wenn sie ihm völlig gleichgültig war. Er ließ seinen Blick durch das Lokal streifen, aber er fand sie nicht. Ach, was soll’s!, dachte Chet, wahrscheinlich saß sie längst auf dem Schoß bei irgendeinem schmucken Franzosen. Er wandte sich wieder seinem Drink zu. Er fand Moni nicht. Er war nicht gut im Beobachten heute. Und so sah er auch nicht, dass Ricky hier war.
     
    |132| Ricky und Renate hatten es irgendwie geschafft, sich Zutritt zum Club zu verschaffen und hielten sich unauffällig am anderen Ende der hufeisenförmigen Bar verborgen. Sie beobachteten Chet schon seit einer ganzen Weile.
    Was – der da?!, hatte Renate, halb entsetzt, halb entzückt ausgerufen, als Ricky ihr den Jungen zeigte. Entsetzt, weil der GI so jung war, gefährlich jung, hoffnungslos jung, und entzückt, weil er ein wirklich reizender Anblick war, selbst jetzt mit seinen geröteten Augen und der ein wenig verschwitzten Stirn. Er hatte eine hohe Stirn, einen sensiblen Mund, den er immerzu geschlossen hielt, das gab ihm ein fast beleidigtes Aussehen. Wirkte ein bisschen verwöhnt, dieser Chet – aber nicht wie einer aus gutem Hause. Dafür hatten die Berliner
Fräulein
einen Blick. Es war ein Junge, den man sich leisten können musste, und sie waren nicht in der Situation, etwas zu verschwenden. Fand Renate. Aber Ricky strahlte sie an: Aus dem mach ich schon noch was!
    Renate schüttelte den Kopf. Hoffnungslos! Und dann weigerte sich Ricky obendrein, den Jungen vorzustellen. Machte ein Geheimnis aus ihm. Und sich. Zog es vor, in einem mehr als unzureichenden Versteck, auf einer Art Beobachtungsposten zu verharren und so ihre Zeit zu vergeuden! Renate verstand die kleine Schwester nicht: Du wirst noch ganz romantisch! Ricky schüttelte den Kopf und lachte leise: Keine Bange! Dabei war ihr selbst ein

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