Die Geliebte des Zeitreisenden
peitschte ihn.
Dann schlössen sich seine Finger um den Henkel, und er riss das überraschend leichte Artefakt an sich. Hab es.
Und dein Bruder?, fragte Cael.
Bruder? Sofort wusste Lucan, dass sie Rion meinte. War Rion zurückgeblieben, um den Feind abzulenken? Um ihnen Zeit zu verschaffen? Hatte Rion sein Leben hingegeben, damit er ihnen den Gral zuwerfen konnte? Er betete darum, dass dem nicht so war.
Offensichtlich hatte sich Quentin mit Brennon verbündet, aber war das ganze Militär nun gegen sie oder nur ein Teil davon? Lucan vermutete, dass das keine Rolle mehr spielte. Er hielt den Gral in Händen.
Und blickte über die Schulter. Quentin, Brennon und die bewaffneten Männer trugen Rion fort. Rion versuchte nach seiner Waffe zu greifen, verfehlte sie aber. Gegen so viele Männer konnte nicht einmal seine Drachenstärke etwas ausrichten.
Rion lebt.
Sollten sie ihm folgen? Wenn sie es taten, waren sie dem Untergang geweiht. Vermutlich würden sie auch den Gral verlieren, und dann wäre Rions Opfer umsonst gewesen.
Der Mann von Ehro hatte sich als großherziger und vertrauenswürdiger Bruder erweisen; er hatte seine eigene Sicherheit geopfert und sein Leben aufs Spiel gesetzt, indem er sich geweigert hatte, die Verwandlung in einen Drachen durchzuführen - und das alles nur, um dem Gral eine Zukunft zu geben.
Lucan wünschte, er könnte etwas für Rion tun, aber jetzt mussten sie zuerst einen Weg aus Avalon hinausfinden. Die massiven Wände und die Decke umschlossen sie. So war es also nur eine Frage der Zeit, bis Brennon und Quentin mit Verstärkung zurückkehrten.
Caels Feueratem-Trick, mit dem sie das Wasser hatte verdunsten lassen, würde bei Stein nicht wirken. Wenn sie keinen Ausgang fanden, würden sie den Gral wieder abgeben müssen. Cael kreiste bis zum Boden hinunter und flog dabei das ganze Innere der Kaverne ab. Lucan sah nirgendwo einen Ausgang. Keinen abzweigenden Tunnel, keine Treppe, keinen Korridor.
Cael nahm wieder Menschengestalt an und lehnte sich müde gegen eine der Wände. Offensichtlich hatten die häufigen Verwandlungen in so kurzer Zeit viel Kraft gekostet. Aber sie beklagte sich nicht.
Stattdessen spähte sie zu dem Gral hinüber und berührte sanft seine polierte kupferfarbene Oberfläche. »Was glaubst du, wie alt er ist?«
»Ich habe keine Ahnung.« Früher war er davon ausgegangen, dass der Gral irgendwann um die Zeit von Christi Geburt auf der Erde hergestellt worden war. Doch Rion hatte behauptet, dass er viel älter war und möglicherweise auch von einer anderen Welt stammte. »Dieses Metall hat eine ungewöhnliche Zusammensetzung. Ich vermute, das ist der Grund dafür, warum der Pokal ein Schutzschild gegen den Tod ist und Heilkräfte besitzt.«
Cael grinste. »Mir ist es egal, ob es sich bei ihm um Magie handelt oder nicht. Die Hauptsache ist doch, dass er wirkt.«
»Das wird er. Die Erbauer von Avalon hätten sich nicht so viel Mühe gemacht, den Gral zu schützen, wenn er nicht etwas ganz Besonderes wäre.«
»Glaubst du, er wird Jaylon heilen?«
»Bevor wir ihn bei deinem Neffen einsetzen können, müssen wir zuerst einen Weg finden herauszukommen.«
Die Erschöpfung in ihren Augen und die durchhängenden Schultern deuteten an, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand. Sogar ihre Stimme klang müde. »Irgendwelche Vorschläge?«
Er runzelte die Stirn. »Auf dem Flug hierher habe ich nichts gesehen, was einem Ausgang auch nur gleichkäme. Vielleicht haben die Erbauer von Avalon keinen Hinterausgang eingeplant, denn schließlich ist dieses Gebäude zu dem Zweck errichtet worden, die Stämme vom Gral fernzuhalten.«
»Wenn dies ihr einziges Ziel gewesen wäre, hätten sie den Gral auch einfach zerstören können. Aber das haben sie nicht getan. Mein Volk hat große Anstrengungen und Aufwendungen gemacht, um Avalon zu errichten - damit wir den Gral bekommen.«
Ihre Worte ergaben einen Sinn. »Dann müssen wir einfach klug genug sein, die Hinweise, die sie uns hinterlassen haben, richtig zu deuten.«
»Hinweise?« Cael seufzte und betrachtete die bläulichen Wände.
»Vielleicht müssen wir etwas tun. Oder etwas finden.«
»Hier gibt es aber nichts. Nichts außer uns und dem Gral.«
»Das ist es!« Lucan beugte sich hinab und küsste sie auf die Lippen. »Du bist ein Genie.«
»Ich? Was habe ich denn gesagt?« Cael zog die Stirn kraus und strich sich eine Haarlocke aus den Augen.
»Die Antwort muss im Gral liegen.« Lucan hob den Pokal an den Henkeln
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