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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zusehen!«
    Mit verzweifeltem Blick sah er zwischen seinem angehenden Opfer und dem dargebotenen Züchtigungsinstrument hin und her, doch nach einigem Zögern gab er auf.
    »Ach, gottverdammter Mist«, brummte er auf englisch, als er den Riemen nahm. Unschlüssig ließ er den breiten Riemen durch die Finger gleiten. Mit einer Breite von sieben Zentimetern und einer Dicke von einem halben Zentimeter bot er sich als vortreffliche
Waffe an. Jamie näherte sich dem ausgestreckt daliegenden Jungen mit sichtlichem Widerwillen.
    »Also gut«, sagte er mit wildem Blick. »Zehn Hiebe, und ich möchte keinen Ton hören.« Ein paar von den Dienstmädchen erblaßten bei diesen Worten und faßten sich ängstlich bei den Händen, doch es herrschte Totenstille in dem Raum, als Jamie ausholte.
    Das darauffolgende Knallen ließ mich zusammenzucken, und die Küchenmädchen quiekten leise. Doch über Fergus’ Lippen kam kein Laut. Der schmächtige Körper zuckte, und Jamie schloß für einen Moment die Augen. Dann kniff er den Mund zusammen und vollstreckte mit gleichmäßigen Schlägen den Rest der Strafe. Mir war übel, und ich wischte mir verstohlen die schweißfeuchten Hände am Kleid ab. Gleichzeitig empfand ich das irrwitzige Bedürfnis, über dieses entsetzliche Possenspiel laut loszulachen.
    Fergus ertrug alles schweigend, und als Jamie fertig war und blaß und schwitzend zurücktrat, blieb der Knabe so still liegen, daß ich einen Augenblick lang befürchtete, er wäre gestorben - aus Angst, wenn schon nicht durch die Schläge. Doch dann schien den Jungen eine Art Schauder zu überlaufen, und er erhob sich ungelenk.
    Jamie stürzte auf ihn zu und strich ihm ängstlich die schweißnassen Haare aus der Stirn.
    »Ist alles in Ordnung, Junge?« fragte er. »Komm, Fergus, sag, daß alles in Ordnung ist!«
    Fergus war kreidebleich und hatte die Augen weit aufgerissen, doch als er die Besorgnis und das Wohlwollen seines Herrn spürte, lächelte er. Seine Eichhörnchenzähne glänzten im Lampenschein.
    »O ja, Herr«, keuchte er. »Haben Sie mir vergeben?«
    »Herrgott«, murmelte Jamie und drückte den Jungen an seine Brust. »Aber natürlich, du Dummkopf.« Dann packte er den Jungen an den Schultern und schüttelte ihn leicht. »Ich will so etwas nie wieder tun müssen, hörst du?«
    Fergus nickte, dann machte er sich los und fiel vor mir auf die Knie.
    »Verzeihen auch Sie mir, Herrin?« fragte er, faltete die Hände feierlich vor der Brust und sah mich treuherzig an wie ein Eichhörnchen, das um Nüsse bettelt.
    Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, konnte mich aber
so weit beherrschen, daß ich ihn an den Händen nahm und ihm aufhalf.
    »Es gibt nichts zu verzeihen«, antwortete ich mit fester Stimme, während meine Wangen brannten. »Du bist ein sehr tapferer Bursche, Fergus. Vielleicht... äh, vielleicht willst du jetzt etwas essen, hm?«
    In diesem Moment fiel von allen die Spannung ab. Die anderen Dienstboten drängten heran und drückten ihr Bedauern und Mitgefühl aus, und während Fergus wie ein Held gefeiert wurde, traten Jamie und ich möglichst schnell den Rückzug in unsere Wohnräume im Stockwerk darüber an.
    »Guter Gott!« stöhnte Jamie und ließ sich in den Sessel plumpsen, als wäre er völlig erschöpft. »Jesus, Maria und Joseph! Gott, ich brauche was zu trinken. Nein, läute nicht!« rief er erschrocken, obwohl ich keine Anstalten machte, an der Klingelschnur zu ziehen. »Ich könnte den Anblick eines Dieners im Augenblick nicht ertragen.«
    Er stand auf und kramte in dem Schrank. »Ich müßte hier doch noch eine Flasche haben.«
    Und tatsächlich - ein feiner alter Scotch. Ohne Umschweife zog er den Korken mit den Zähnen heraus und nahm einen ziemlich kräftigen Schluck. Dann reichte er mir die Flasche, und ich folgte seinem Beispiel ohne Zögern.
    »Gott im Himmel«, murmelte ich, als ich wieder Atem geschöpft hatte.
    »Ja«, meinte er, nahm die Flasche und setzte sie abermals an die Lippen. Dann stützte er den Kopf auf die Hände und fuhr sich durchs Haar. Er lachte schwach.
    »Ich bin mir in meinem ganzen Leben noch nie so dumm vorgekommen. Himmel, ich kam mir vor wie ein ausgemachter Trottel!«
    »Ich auch«, bekannte ich und griff nach dem Whisky. »Ich glaube, sogar noch mehr als du. Schließlich war es ja meine Schuld. Jamie, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Ich hätte nie gedacht...«
    »Ach, zerbrich dir nicht den Kopf darüber.« Die Anspannung der letzten halben

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