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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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die Küche.«
    »Herrgott noch mal!« rief ich. »Denkt er wirklich, er hat dein Vertrauen mißbraucht, nur weil ich mich verspätet habe?«
    Jamie warf mir einen schiefen Blick zu.
    »Aye, allerdings. Und strenggenommen hat er das auch, weil er dich mit einem Fremden mitfahren ließ. Er beteuert, er hätte sich vor die Pferde geworfen, damit du nicht in die Kutsche steigst, wenn du nicht ein so gutes Verhältnis zu dem Mann gehabt hättest.«

    »Ja, natürlich habe ich das«, sagte ich empört. »Ich hatte ihm gerade beim Einrichten eines Beines geholfen.«
    »Mmmpf.« Diese Erklärung fand er anscheinend nicht sehr einleuchtend.
    »Na gut«, gab ich widerstrebend zu. »Es war vielleicht ein wenig unklug. Aber er schien mir tatsächlich höchst ehrenwert, und ich wollte möglichst rasch nach Hause - ich wußte, daß du dir Sorgen machen würdest.« Jetzt wünschte ich, ich hätte mehr darauf geachtet, was Fergus mir mit seinem ängstlichen Gemurmel und seinem Ärmelzupfen hatte sagen wollen. Doch mir war nur daran gelegen, möglichst schnell nach Hause zu gelangen.
    »Aber du willst ihn doch nicht etwa schlagen?« fragte ich beunruhigt. »Er hat sich nicht das geringste zuschulden kommen lassen - ich habe darauf bestanden, mit Monsieur Forez zu fahren. Wenn jemand Prügel verdient hätte, dann ich.«
    Jamie wandte sich in Richtung Küche und warf mir einen boshaften Blick zu.
    »Aye, da hast du recht«, pflichtete er mir bei. »Aber da ich geschworen habe, so etwas nicht mehr zu tun, muß ich mich an Fergus schadlos halten.«
    »Jamie! Nein!« Erschrocken packte ich ihn am Arm. »Jamie, ich bitte dich!« Da bemerkte ich sein verstohlenes Lächeln und seufzte erleichtert auf.
    »Keine Sorge.« Er lächelte jetzt unverhohlen. »Ich habe nicht vor, ihn umzubringen - und auch nicht zu schlagen. Aber ich muß ihm vielleicht ein oder zwei Ohrfeigen geben - der Form halber. Er meint, er hätte ein schweres Verbrechen begangen, weil er dich nicht beschützt hat, wie ich ihm befohlen habe. Das kann ich ihm schlecht durchgehen lassen ohne eine förmliche Rüge.«
    Vor der mit Fries bezogenen Küchentür blieb er stehen, um sich die Manschetten zuzuknöpfen und das Halstuch zurechtzurücken.
    »Sehe ich ordentlich aus?« fragte er und strich sein dichtes, widerspenstiges Haar glatt. »Vielleicht sollte ich meinen Rock anziehen - ich weiß nicht, was sich ziemt, wenn man eine Strafe zu verhängen hat.«
    »Es paßt schon so«, entgegnete ich und unterdrückte ein Grinsen. »Du siehst schrecklich gebieterisch aus.«
    »Dann ist’s gut.« Er straffte die Schultern und kniff die Lippen zusammen. »Hoffentlich muß ich nicht lachen, das wäre ziemlich
fehl am Platz«, murmelte er und öffnete die Tür, die zum Küchentrakt hinabführte.
    Die Stimmung in der Küche war jedoch alles andere als fröhlich. Als wir eintraten, verstummte das übliche Geschnatter jäh, und die Dienstboten drängten sich hastig in einer Ecke zusammen. Einen Moment lang standen alle stocksteif da, dann rückten zwei Küchenmägde auseinander, und Fergus trat vor.
    Das Gesicht des Jungen war blaß und verheult, doch jetzt weinte er nicht mehr. Mit bemerkenswerter Würde verbeugte er sich erst vor mir, dann vor Jamie.
    »Madame, Monsieur, ich bin sehr beschämt«, sagte er leise, aber deutlich. »Ich bin es nicht wert, in Ihren Diensten zu stehen, bitte Sie jedoch inständig, mich nicht zu entlassen.« Seine hohe Stimme zitterte ein wenig. Ich biß mir auf die Lippen. Als suchte er moralische Unterstützung, blickte Fergus zu den Dienstboten hinüber, und Fernand, der Kutscher, nickte ihm aufmunternd zu. Schließlich nahm der Knabe all seinen Mut zusammen und wandte sich an Jamie.
    »Ich bin bereit, meine Strafe zu empfangen, Herr.« Wie auf ein vereinbartes Zeichen löste sich einer der Lakaien aus der erstarrten Menge und führte den Jungen zu dem blankgeschrubbten Holztisch. Dann packte er ihn an den Händen und zog ihn halb über die Tischplatte, ohne ihn loszulassen.
    »Aber...« Jamie war völlig überrumpelt. Ehe er ein weiteres Wort herausbringen konnte, trat Magnus, der ältliche Butler, auf ihn zu. Auf einem großen Servierteller überreichte er ihm feierlich den Lederriemen, der zum Messerschärfen benutzt wurde.
    »Äh...« Jamie sah mich hilflos an.
    »Uff«, meinte ich und trat einen Schritt zurück, doch Jamie packte mich am Handgelenk.
    »Nein, Sassenach«, murmelte er auf englisch. »Wenn ich das schon tun muß, dann mußt du

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