Die Geliehene Zeit
warten.
Nachdem Monsieur Forez meinen Begleiter argwöhnisch gemustert hatte, nahm er mich entschlossen am Ellbogen.
»Ich geleite Sie zu Ihrem Haus, Madame«, verkündete er. »Diese Gegend ist in den Abendstunden viel zu gefährlich für jemanden wie Sie, wenn Sie nur ein Kind zum Schutz dabeihaben.«
Fergus platzte beinahe vor Entrüstung, als man ihn ein Kind nannte, und beeilte sich zu erklären, daß er ein ausgezeichneter
Beschützer sei und stets den sichersten Weg wähle. Doch Monsieur Forez schenkte dem keinerlei Beachtung. Während er Schwester Angelique würdevoll zunickte, führte er mich durch die riesigen Flügeltüren des Spitals hinaus.
Fergus trottete hinter mir her und zog mich am Ärmel. »Madame!« flüsterte er. »Madame! Ich habe dem Herrn mein Wort gegeben, Sie jeden Tag sicher nach Hause zu geleiten und es nicht zuzulassen, daß Sie Umgang mit unerwünschten Personen...«
»So, bitte sehr. Madame nehmen Sie hier Platz; Ihr Junge kann auf dem Platz daneben sitzen.« Ohne auf Fergus’ Geschimpfe einzugehen, hob Monsieur Forez ihn hoch und setzte ihn ein wenig unsanft in die bereitstehende Kutsche.
Es war ein kleiner, offener Zweispänner, doch elegant ausgestattet mit tiefblauen Samtpolstern und einem kleinen Baldachin. An der Tür der Equipage befand sich kein Wappen oder eine sonstige Zierde; Monsieur Forez gehörte nicht zum Adel - wahrscheinlich war er ein vermögender Bürgerlicher.
Auf dem Nachhauseweg plauderten wir höflich über medizinische Fragen, während Fergus schmollend in seiner Ecke saß und mit finsterer Miene unter seinem zerzausten Schopf hervorlugte. Als wir in der Rue Tremoulins anhielten, sprang er behende hinaus und rannte ins Haus. Verwundert starrte ich ihm nach, dann verabschiedete ich mich von Monsieur Forez.
»Aber das ist doch nicht der Rede wert«, erwiderte er freundlich auf meinen überschwenglichen Dank. »Ihr Haus liegt ohnehin auf meinem Heimweg. Und ich kann doch nicht zulassen, daß eine so reizende Dame um diese Stunde durch die Straßen von Paris läuft.« Er half mir aus der Kutsche und wollte gerade noch etwas sagen, als die Tür hinter uns aufgerissen wurde.
Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Jamies Miene soeben von leichter Verärgerung in Erstaunen umschlug.
«Oh!« sagte er. »Guten Abend, Monsieur.« Er verbeugte sich vor Monsieur Forez, der den Gruß mit ausgesuchter Höflichkeit erwiderte.
»Ihre Frau hat mir die Ehre zuteil werden lassen, sie sicher nach Hause zu geleiten, mein Herr. Was ihre verspätete Ankunft betrifft, so ist dies einzig und allein meine Schuld; Ihre Frau hatte die Güte, mir bei einer kleinen Angelegenheit im Höpital des Anges behilflich zu sein.«
»Kann ich mir denken«, entgegnete Jamie resigniert, dann sah er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und fügte auf englisch hinzu: »Schließlich kann man von einem gewöhnlichen Ehemann ja nicht erwarten, daß er genauso anziehend ist wie entzündete Gedärme oder ekelerregende Pusteln, nicht wahr?« Um seine Mundwinkel zuckte es; ich sah, daß er eigentlich nicht verärgert, sondern nur besorgt gewesen war. Das tat mir leid.
Nach einer abermaligen Verbeugung vor Monsieur Forez packte Jamie mich am Arm und zog mich ins Haus.
»Wo ist Fergus?« fragte ich, nachdem die Tür hinter uns ins Schloß gefallen war.
»In der Küche«, antwortete Jamie, »wo er wahrscheinlich auf seine Bestrafung wartet.«
»Bestrafung? Was meinst du damit?« wollte ich wissen. Wider Erwarten lachte er.
»Na ja«, erzählte er, »ich saß im Arbeitszimmer und fragte mich, wo zum Teufel ihr abgeblieben sein mochtet. Ich war schon drauf und dran, selbst ins Spital zu gehen, da platzte der kleine Fergus zur Tür rein, warf sich vor mir auf den Boden und bat, ich solle ihn auf der Stelle töten.«
»Töten? Warum denn?«
»Tja, das habe ich ihn auch gefragt, Sassenach. Ich befürchtete schon, ihr wärt unterwegs von Straßenräubern überfallen worden- weißt du, draußen treibt sich gefährliches Gesindel herum. Und ich konnte mir Fergus’ Verhalten nur damit erklären, daß er dich vor den Gaunern nicht retten konnte. Aber da sagte er, du seist vor dem Haus. Ich ging nachsehen, während Fergus hinter mir herrannte und irgendwas plapperte von Vertrauensbruch und daß er unwürdig sei, mich seinen Herrn zu nennen, und ich sollte ihn bitte zu Tode prügeln. Ich konnte in dem Moment nicht klar denken, und so sagte ich ihm, ich würde mich später um ihn kümmern, und schickte ihn in
Weitere Kostenlose Bücher