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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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unwillkürlich die Fäuste.
    »Mit dir ist wohl kein vernünftiges Gespräch möglich, was?« sagte er scharf. »Himmel, ich habe die Nacht angeekelt und unter Qualen verbracht, bin von den anderen als unmännlich verspottet worden, komme nach Hause und muß mir Unkeuschheit vorwerfen lassen! Mallaichte bàs !«
    Mit grimmigem Blick sammelte er seine auf dem Boden verteilten Kleider auf.
    »Hier«, er tastete nach dem Schwertgehenk. »Wenn Begierde mit Ehebruch gleichzusetzen ist und du mich dafür umbringen möchtest, dann tu es!« Er trat mit seinem annähernd dreißig Zentimeter langen Dolch an mich heran und warf ihn mir zu. Wild um sich blickend, straffte er die Schultern und bot mir seine breite Brust.
    »Mach schon«, forderte er mich nachdrücklich auf. »Du gibst doch nicht etwa klein bei? Wo du doch so empfindsam bist, was deine Ehre als Ehefrau betrifft.«
    Es war eine echte Versuchung. Meine Hände bebten vor Verlangen, ihm den Dolch zwischen die Rippen zu stoßen. Allein die Gewißheit, daß er trotz seines dramatischen Auftritts nicht zulassen würde, daß ich ihn erdolchte, hielt mich davon ab. Ich kam mir sowieso schon ziemlich lächerlich vor und wollte mich nicht noch weiter demütigen. Schwungvoll wandte ich mich von ihm ab.
    Nach einer Weile vernahm ich das Scheppern des Dolches auf
den Dielen. Regungslos starrte ich aus dem Fenster. Als ich hinter mir ein leises Rascheln hörte, blickte ich auf die Spiegelung in der Scheibe. Mein Gesicht erschien darin als ein von schlafzerzaustem Haar umrahmtes Oval, und Jamies nackte Gestalt bewegte sich auf der Suche nach einem Handtuch, als befände er sich unter Wasser.
    »Das Handtuch liegt auf dem Gestell«, sagte ich und drehte mich um.
    »Danke.« Er ließ das schmutzige Hemd fallen, mit dem er sich trockentupfen wollte, und griff, ohne mich anzusehen, nach dem Handtuch.
    Er wischte sich das Gesicht ab, ließ das Tuch sinken und schaute mich an. Ich sah, wie es in seinem Gesicht arbeitete, und mir war, als blickte ich immer noch in die reflektierende Scheibe. Schließlich siegte jedoch bei uns beiden die Vernunft.
    »Es tut mir leid«, sagten wir wie aus einem Munde und lachten.
    Seine feuchte Haut durchweichte den dünnen Seidenstoff, aber es kümmerte mich nicht.
    Minuten später murmelte er mir etwas ins Haar.
    »Was?«
    »Verdammt knapp«, wiederholte er und wich etwas zurück, »es war verdammt knapp, Sassenach, und das hat mir angst gemacht.«
    Ich warf einen Blick auf den Dolch, der vergessen auf dem Boden lag.
    »Angst? Nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der furchtloser ist als du. Du wußtest nur zu gut, daß ich es mein Lebtag nicht wagen würde.«
    »Ach das«, er grinste. »Nein, ich hätte keine Sekunde geglaubt, daß du mich umbringen würdest, auch wenn du es gerne getan hättest.« Er schlug einen sachlichen Ton an. »Nein... ich meine, alle diese Frauen. Wie ich mich bei ihnen gefühlt habe. Ich wollte sie nicht, wirklich nicht...«
    »Ja, ich weiß«, antwortete ich und streckte ihm die Hand entgegen. Aber er sprach weiter. Bekümmert sah er mich an.
    »Aber die Begierde... so nennt man das wohl... sie war dem zu ähnlich, was ich manchmal für dich empfinde, und das... nun, das scheint mir nicht recht.«
    Er wandte sich ab, um sein Haar mit dem Leinentuch zu trocknen, und seine Stimme klang gedämpft.
    »Ich habe immer gedacht, es wäre einfach, bei einer Frau zu
liegen«, erklärte er leise. »Aber... ich möchte dir zu Füßen liegen und dich anbeten und außerdem will ich dich auf die Knie zwingen, meine Hände in dein Haar wühlen, und ich will, daß mich dein Mund befriedigt... Und ich will beides gleichzeitig, Sassenach.« Er schob seine Hände unter mein Haar und umschloß mein Gesicht.
    »Ich verstehe mich selbst nicht, Sassenach! Oder vielleicht doch.« Er löste seine Hände und wandte sich ab. Obwohl sein Gesicht längst trocken war, wischte er sich immer wieder mit dem Handtuch über das stoppelige Kinn. Seine Stimme war kaum vernehmbar.
    »So ein Gefühl - ich meine, das Wissen darum - kam zum erstenmal kurz nach... Wentworth.« Wentworth. Der Ort, an dem er seine Seele geopfert hatte, um mein Leben zu retten, und Höllenqualen erleiden mußte, um sie wiederzuerlangen.
    »Zuerst dachte ich, daß Jack Randall einen Teil meiner Seele geraubt hätte, aber auf einmal wurde mir bewußt, daß es viel schlimmer war. Das alles kam aus mir, war schon immer ein Teil von mir gewesen. Er hat mir das nur deutlich gemacht, bis ich es

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