Die Geliehene Zeit
Daumen in Jamies Nackenmuskeln, woraufhin er sich etwas entspannte.
Der Seifenschaum rann ihm über die nassen, glänzenden Schultern. Ich fing ihn auf und verteilte ihn.
Jamie war in der Tat groß. Unmittelbar neben ihm vergaß ich leicht, wie hochgewachsen er wirklich war, bis ich ihn aus der Entfernung zwischen kleineren Männern aufragen sah. Immer wieder war ich von seiner schönen, anmutigen Gestalt beeindruckt. Jetzt saß ich mit angezogenen Knien da, und seine Schultern nahmen die gesamte Breite der Wanne ein. Er beugte sich ein wenig nach vorne, um mir meine Arbeit zu erleichtern, so daß man die schrecklichen Narben auf seinem Rücken sah. Über die weißen Linien, die von früheren Auspeitschungen herrührten, zogen sich die wulstigen roten Narben, die Jack Randall ihm zu Weihnachten beschert hatte.
Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich die verheilten Wunden sanft berührte. Ich hatte sie gesehen, als sie noch frisch waren, als Folter und Demütigung Jamie fast in den Wahnsinn getrieben hatten. Aber ich hatte ihn geheilt, und er hatte mit tapferem Herzen darum gekämpft, wieder gesund und eins mit mir zu werden. Zärtlich schob ich sein Haar zur Seite und neigte mich vor, um seinen Nacken zu küssen.
Doch abrupt wich ich zurück. Er spürte die Bewegung und drehte den Kopf leicht nach hinten.
»Was hast du, Sassenach?« fragte er langsam und schläfrig.
»Nichts, gar nichts«, entgegnete ich und starrte auf die dunkelroten Flecken am Nacken. Im Pembroke hatten die Schwestern sich am Morgen nach einem Rendezvous mit einem Soldaten des nahegelegenen
Stützpunktes ein Tuch um den Hals geschlungen. Ich war immer der Meinung gewesen, die Schals waren eher Angabe als Tarnung.
»Wirklich nichts«, wiederholte ich und griff nach dem Wasserkrug auf dem Ständer. Er stand neben dem Fenster und fühlte sich eiskalt an. Ich trat hinter Jamie und goß ihm das Wasser über den Kopf.
Ich hob mein Nachthemd, um es vor der plötzlichen Welle, die über den Rand der Wanne spritzte, in Sicherheit zu bringen. Jamie prustete vor Kälte, und vor Schreck verschlug es ihm die Sprache. Ich kam ihm zuvor.
»Nur zugeschaut, was?« fragte ich kalt. »Gewiß hast du es nicht eine Sekunde lang genossen, du armer Kerl.«
Er warf sich nach hinten, so daß das Wasser abermals auf den Steinboden schwappte, drehte sich um und blickte zu mir auf.
»Was willst du von mir hören?« fuhr er mich an. »Ob ich sie besteigen wollte? Natürlich wollte ich. So sehr, daß meine Eier wehtaten, weil ich es nicht getan habe.«
Er wischte sich die triefendnassen Haare aus den Augen und starrte mich an.
»Wolltest du das hören? Bist du jetzt zufrieden?«
»Eigentlich nicht«, entgegnete ich. Mein Gesicht fühlte sich heiß an. Ich preßte meine Wange an die eiskalte Fensterscheibe und klammerte mich mit den Händen am Fensterbrett fest.
»Jemand, der eine Frau begehrlich ansieht, hat bereits Ehebruch begangen. Wolltest du das sagen?«
»Willst du das sagen?«
»Nein«, antwortete er knapp. »Und was würdest du tun, wenn ich tatsächlich bei einer Hure gelegen hätte, Sassenach? Mich ins Gesicht schlagen? Mich aus deinem Schlafzimmer werfen? Meinem Bett fernbleiben?«
Ich wandte mich um und sah ihn an.
»Ich würde dich umbringen!« preßte ich zwischen den Zähnen hervor.
Seine Augenbrauen schossen in die Höhe, während seine Kinnlade vor Erstaunen nach unten sank.
» Mich umbringen? Mein Gott, wenn ich dich mit einem anderen Mann erwischte, würde ich ihn töten.« Er hielt inne und zog einen Mundwinkel ironisch hoch.
»Zwar wäre ich auch auf dich nicht gut zu sprechen«, sagte er, »trotzdem würde ich ihn töten.«
»Typisch Mann«, erwiderte ich. »Kapiert nicht, um was es geht.«
Er schnaubte spöttisch.
»So, findest du? Mit anderen Worten, du glaubst mir nicht. Soll ich dir beweisen, Sassenach, daß ich in den letzten Stunden bei niemandem gelegen habe?« Als er sich erhob, rann das Wasser in kleinen Bächen seine langen Beine hinab. Seine Haut dampfte, und das hereinfallende Licht ließ die rotgoldenen Härchen auf seinem Körper aufblinken. Er ähnelte einer Statue aus frisch geschmolzenem Gold. Mein Blick glitt an ihm hinunter.
»Ha!« rief ich mit höchstmöglicher Verachtung in der Stimme.
»Das liegt am heißen Wasser«, erklärte er kurz und stieg aus der Wanne. »Keine Sorge, es dauert nicht lange.«
»Das glaubst du!« entgegnete ich und betonte dabei jedes Wort.
Er errötete noch mehr und ballte
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