Die Geliehene Zeit
noch andere Möglichkeiten eröffnen.«
»Gar nicht gut«, bemerkte ich.
Jamie schüttelte den Kopf. »Nein. Geld vermehrt sich von selbst, weißt du. Laß ihn bei ein, zwei großen Unternehmungen erfolgreich sein, und die Bankiers werden ein offenes Ohr für ihn haben. Der Mann ist kein großer Denker«, meinte er und verzog boshaft den Mund, »aber er ist sehr charmant. Er kann Leute gegen ihr besseres Wissen zu etwas überreden. Trotzdem kommt er nicht voran, solange er kein eigenes Kapital besitzt - aber das bekommt er, wenn diese Investition Früchte trägt.«
»Hm.« Wieder veränderte ich meine Position und bewegte meine Zehen in ihrem Ledergefängnis. Die Schuhe hatten gepaßt, als sie für mich angefertigt wurden, aber jetzt waren meine Füße ein wenig geschwollen und meine Seidenstrümpfe schweißnaß. »Können wir etwas dagegen unternehmen?«
Jamie lächelte achselzuckend. »Um schlechtes Wetter vor der portugiesischen Küste beten. Um die Wahrheit zu sagen, solange das Schiff nicht sinkt, sieht es nicht so aus, als könnte die Unternehmung scheitern. St. Germain hat schon Verträge für den Verkauf der gesamten Fracht abgeschlossen. Sowohl er als auch Charles Stuart werden ihr Geld verdreifachen.«
Als der Name des Comte fiel, schauderte ich, weil ich an Dougals Vermutungen denken mußte. Von seinem Besuch hatte ich Jamie nichts erzählt, und auch seine Spekulationen über das nächtliche Treiben des Comte hatte ich verschwiegen. Zwar wollte ich Jamie nichts verheimlichen, aber Dougal hatte mein Schweigen im Austausch für seine Hilfe in Sachen Jonathan Randall verlangt, und mir war nichts anderes übriggeblieben, als zuzustimmen.
Plötzlich lächelte mich Jamie an und streckte die Hand aus.
»Ich lasse mir was einfallen, Sassenach. Aber jetzt gib mir deine Füße. Jenny sagte, eine Fußmassage hätte ihr immer gutgetan, wenn sie ein Kind erwartete.«
Ich widersprach nicht, sondern schlüpfte aus den heißen Schuhen, legte meine Füße auf seinen Schoß und spürte mit einem Seufzer der Erleichterung den kühlenden Wind auf meinen feuchten Zehen.
Jamies Hände waren groß, und seine Finger ebenso stark wie sanft. Mit den Knöcheln massierte er die Längswölbung meines Fußes, und ich lehnte mich entspannt zurück. Ein paar Minuten herrschte Schweigen, und ich genoß das wohlige Gefühl.
Über meine grünbestrumpften Zehen gebeugt, bemerkte Jamie beiläufig: »Es war eigentlich keine Schuld, weißt du.«
»Was war keine Schuld?« Trunken von der wärmenden Sonne und der Fußmassage, hatte ich keine Ahnung, wovon er sprach.
Ohne in seiner Tätigkeit innezuhalten, blickte er auf. Seine Miene war ernst, aber seine Augen leuchteten.
»Du hast gesagt, daß ich dir ein Leben schulde, Sassenach, weil du das meine gerettet hast.« Er griff nach meinem großen Zeh und wackelte damit. »Aber nach reiflicher Überlegung bin ich mir gar nicht sicher, ob das stimmt. Mir scheint, daß wir alles in allem beinahe quitt sind.«
»Was meinst du mit quitt?« Ich versuchte, ihm meinen Fuß zu entziehen, aber er hielt ihn fest.
»Wenn du mir das Leben gerettet hast - und das hast du ja auch -, dann habe ich deines mindestens genausooft gerettet. Ich habe dich vor Jack Randall in Fort William gerettet, erinnerst du dich - und vor dem Mob in Cranesmuir, oder?«
»Ja«, erwiderte ich mißtrauisch. Ich hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte, aber seine Worte waren nicht nur so dahingesagt. »Dafür bin ich natürlich dankbar.«
Er tat meine Bemerkung mit einem kehligen schottischen Laut ab. »Das ist keine Frage der Dankbarkeit, Sassenach, weder meiner- noch deinerseits. Mir geht es nur darum, daß es auch keine Frage der Verpflichtung ist.« Das Lächeln verschwand aus seinen Augen, und er wurde ernst.
»Ich habe Randalls Leben nicht im Tausch gegen meines gegeben. Zum einen wäre das kein fairer Handel. Mach den Mund zu Sassenach, sonst kommen Fliegen rein.« Tatsächlich hatten sich einige dieser Insekten auf Fergus’ Brust gesetzt, ohne sich von deren gleichmäßigem Auf und Ab stören zu lassen.
»Warum hast du dann zugestimmt?« Ich hörte auf, mich zu wehren, und er umschloß meine Füße mit beiden Händen und ließ die Daumen über die Rundung meiner Fersen gleiten.
»Jedenfalls nicht wegen der Vernunftgründe, die du angeführt hast. Was Frank betrifft, na ja, es ist wahr, daß ich ihm die Frau weggenommen habe, und dafür tut er mir leid, mal mehr, mal weniger«, fügte er mit einem
Weitere Kostenlose Bücher