Die Geliehene Zeit
unverschämten Augenzwinkern hinzu. »Dennoch, ist es etwas anderes, als wenn er hier und jetzt mein Rivale wäre? Du hattest die freie Wahl zwischen uns, und du hast dich für mich entschieden - obwohl er solche Annehmlichkeiten wie heiße Bäder in die Waagschale werfen konnte. Uuh!« Ich riß meinen Fuß los und trat ihn in die Rippen. Jamie richtete sich auf und packte meinen Fuß, um einen zweiten Tritt zu verhindern.
»Anscheinend bereust du deine Entscheidung.«
»Noch nicht.« Ich versuchte, meinen Fuß wieder freizubekommen. »Aber ich kann es mir jeden Augenblick anders überlegen. Sprich weiter.«
»Na gut. Ich finde nicht, daß Frank Randall besondere Rücksichtnahme verdient, bloß weil du dich für mich entschieden hast. Außerdem«, fügte er freimütig hinzu, »räume ich ein, daß ich ein klein bißchen eifersüchtig auf den Mann bin.«
Diesmal trat ich mit dem anderen Fuß und zielte tiefer. Jamie fing ihn rechtzeitig ab und verdrehte mir geschickt das Gelenk.
»Ob ich ihm aufgrund allgemeiner Prinzipien sein Leben schuldig bin«, fuhr er fort, ohne meine Befreiungsversuche zu beachten, »das ist eine Frage, die Bruder Anselm im Kloster besser beantworten könnte als ich. Natürlich würde ich nicht kaltblütig einen Unschuldigen umbringen. Aber andererseits habe ich Männer in der Schlacht getötet, und ist das etwas anderes?«
Ich erinnerte mich an den Soldaten und an den Jungen im Schnee, die ich bei unserer Flucht aus Wentworth getötet hatte. Ich quälte mich nicht mehr mit den Erinnerungen, aber ich wußte, daß ich mich nie ganz davon würde befreien können.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt zwar viele gute Argumente, die du anführen könntest, aber am Ende laufen solche Entscheidungen auf eins hinaus: Du tötest, wenn du keine andere Wahl hast, und nachher lebst du damit. Ich erinnere mich an das Gesicht eines jeden, den ich getötet habe, und werde keines je vergessen. Aber die Tatsache bleibt bestehen - ich lebe, und sie sind tot. Und das ist meine einzige Rechtfertigung, ob das nun richtig ist oder falsch.«
»Das trifft in diesem Fall nicht zu«, entgegnete ich. »Hier geht es nicht darum, zu töten oder getötet zu werden.«
Er schüttelte den Kopf, um eine Fliege zu vertreiben, die auf seinen Haaren saß: »Da irrst du dich, Sassenach. Was zwischen mir und Jonathan Randall steht, ist erst bereinigt, wenn einer von uns beiden tot ist - und vielleicht nicht einmal dann. Es gibt noch andere Methoden zu töten - ohne Dolch oder Gewehr -, und es gibt Dinge, die schrecklicher sind als der Tod.« Dann fuhr er mit sanfter Stimme fort: »In Ste. Anne hast du mich vor mehr als einer Art Tod gerettet, mo duinne , und glaube nicht, daß ich es nicht weiß.« Wieder schüttelte er den Kopf. »Vielleicht schulde ich dir doch mehr als du mir.«
Er ließ meine Füße los und schlug seine langen Beine übereinander. »Und das bringt mich dazu, nicht nur über mein Gewissen nachzudenken, sondern auch über deins. Schließlich hattest du keine Ahnung, was geschehen würde, als du deine Entscheidung trafst. Es ist eine Sache, einen Mann zu verlassen, aber ihn zum Tode zu verurteilen ist eine ganz andere.«
Diese Art, meine Handlungen zu schildern, behagte mir ganz und gar nicht, aber ich mußte mich den Tatsachen stellen. Ich hatte Frank in der Tat verlassen, und obwohl ich meine Entscheidung nicht bereute, würde es mir immer leid tun, daß es notwendig geworden war. Auf geradezu unheimliche Weise reflektierten Jamies Worte meine Gedanken.
»Wenn du gewußt hättest, daß es Franks - sagen wir Franks Tod bedeutet hätte, wäre deine Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. Du hast mich gewählt - aber habe ich deshalb das Recht,
deinen Handlungen mehr Gewicht zu geben, als du selbst es beabsichtigt hast?«
Jamie war so in seine Gedanken vertieft, daß ihm die Wirkung seiner Worte auf mich entging. Als er mir nun ins Gesicht blickte, hielt er plötzlich inne und beobachtete mich schweigend.
»Ich glaube nicht, daß du dich durch deine Entscheidung versündigt hast, Claire«, sagte er schließlich und legte seine Hand auf meinen bestrumpften Fuß. »Ich bin dein rechtmäßiger Gatte, so wie er es war - oder sein wird. Du weißt nicht einmal, ob du zu ihm hättest zurückkehren können. Mo duinne , vielleicht wärst du noch weiter zurückgereist oder in einer ganz anderen Zukunft gelandet. Du hast so gehandelt, wie es deiner Meinung nach richtig war, und mehr kann niemand tun.«
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