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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nachgab - mit unverhohlener Wut aufgenommen worden.
    »Du bist ein Narr«, erklärte lan kategorisch. »Ich bin ein Krüppel, das weißt du ganz genau.«
    »Ich weiß, daß du ein guter Krieger bist, und ich kann mir niemanden vorstellen, den ich im Kampf lieber an meiner Seite hätte«, erwiderte Jamie unbeirrt. Aus seinem Gesicht war kein Schimmer des Zweifels oder des Zögerns abzulesen. Er war Jennys Bitte gefolgt und würde dabei bleiben, koste es, was es wolle. »Du hast oft genug mit mir gekämpft; willst du mich jetzt im Stich lassen?«
    lan wischte diese Schmeichelei mit einer ungeduldigen Geste beiseite. »Das mag ja sein, aber wenn sich mein Holzbein lockert oder wenn ich es verliere, dann ist es aus mit dem Kampf - dann liege ich am Boden wie ein armer Wurm und warte auf den erstbesten Rotrock, der kommt und mich aufspießt. Und außerdem«, er blickte seinen Schwager finster an, »wer, glaubst du, wird das Gut hier instand halten, bis du zurückkommst, wenn ich mit dir in den Kampf ziehe?«
    »Jenny«, erwiderte Jamie prompt. »Für die schweren Arbeiten werde ich genügend Männer dalassen, und mit der Verwaltung kommt sie ganz gut allein zurecht.«
    lan runzelte die Stirn und sagte etwas sehr Grobes auf gälisch.
    »Pog ma mahon! Willst du wirklich, daß ich hier weggehe und sie das ganze Gut allein versorgt, mit drei Kindern, die ihr am Rockzipfel hängen, und der Hälfte der Männer, die normalerweise hier gebraucht werden? Mann, du mußt von allen guten Geistern verlassen sein!« lang hob abwehrend beide Hände und drehte sich zu dem Schränkchen um, in dem der Whisky aufbewahrt wurde.
    »Wie kommst du auf die Idee, du könntest mich herumkommandieren?«
    Jamie musterte seinen Schwager, der ihm den Rücken zuwandte, mit finsterer Miene. Auf einmal zuckte ein Muskel in seinem Mundwinkel.
    »Weil ich größer bin als du«, gab er angriffslustig, doch immer noch mit finsterer Miene zurück.
    Mit ungläubigem Blick drehte sich lan zu ihm um. Für den
Bruchteil einer Sekunde spiegelte sich Unschlüssigkeit auf seinem Gesicht. Dann straffte er die Schultern und hob das Kinn.
    »Ich bin älter als du«, entgegnete er finster.
    »Und ich bin stärker.«
    »Nein, das bist du nicht!«
    »Aye, das bin ich!«
    »Nein, ich bin stärker!«
    Hinter ihrem spaßhaften Ton lag tödlicher Ernst; diese kleine Auseinandersetzung war oberflächlich nichts als eine Spielerei, aber sie beobachteten sich so gespannt wie zwei jugendliche Raufbolde. In Jamies Stimme lag ein herausfordernder Ton. Er knöpfte seine Manschetten los und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch.
    »Das will ich sehen!« forderte er lan auf. Er fuhr mit der Hand über den Tisch, setzte sich und stützte den Ellbogen darauf.
    Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, bis lan die Situation erfaßt hatte, dann nickte er kurz und heftig.
    Mit kühler Entschlossenheit strich er sich die Haare aus der Stirn, knöpfte ebenfalls seine Manschetten los und krempelte sich die Ärmel bis zu den Schultern hoch, langsam und ohne die Augen auch nur einen Moment von seinem Schwager abzuwenden.
    Ich konnte von meinem Platz aus lans Gesicht sehen, das ein klein wenig gerötet war. Sein langes, schmales Kinn drückte trotzige Entschlossenheit aus. Jamies Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn er saß lan gegenüber, aber seine Haltung brachte dieselbe Unbeugsamkeit zum Ausdruck.
    Die beiden setzten mit Bedacht die Ellbogen auf dem Tisch auf, probierten geeignete Stellen aus und tasteten mit der Ellbogenspitze, ob der Untergrund auch rutschfest sei.
    Wie es dem Ritual entsprach, spreizte Jamie die Finger und legte seine Handfläche an lans. Sie verschränkten die Finger und verharrten einen Augenblick.
    »Fertig?« fragte Jamie.
    »Fertig.« lans Stimme klang ruhig, doch seine Augen funkelten.
    Die beiden Männer spannten ihre Muskeln und versuchten mit aller Kraft, die Hebelwirkung ihres Arms zu nutzen.
    Jenny sah mich an und verdrehte die Augen. Was immer sie auch von Jamie erwartet hatte, das ganz gewiß nicht.
    Die beiden Männer waren ganz auf ihre Kraftprobe konzentriert
und nahmen sonst nichts wahr. Ihre Gesichter waren tiefrot vor Anstrengung, sie schwitzten, und das Haar klebte ihnen an der Stirn. Auf einmal merkte ich, wie Jamie sich entspannte, als er lan mit fest aufeinandergepreßten Lippen dasitzen sah. lan spürte diesen Blick und sah Jamie in die Augen... und plötzlich brachen die beiden in schallendes Gelächter aus.
    Ihre Hände verharrten noch einen

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