Die Geliehene Zeit
Gesichtsfarbe - von grün zu weiß, dann zu rot und wieder zu weiß - verriet seinen Seelenzustand.
Schließlich aber lief er purpurrot an. Denn als ich fertig war, versteifte sich sein Penis, den ich flüchtig gestreift hatte. Völlig durcheinandergebracht durch diesen Beweis seiner Unversehrtheit, zog MacBeth seinen Kilt ruckartig herunter, sobald ich ihn fertig verbunden hatte, erhob sich torkelnd und wankte hinaus in die Dunkelheit. Ich aber konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, während ich meinen chirurgischen Nähkasten wieder verstaute.
In einer Ecke stand eine Kiste mit medizinischen Hilfsmitteln; ich setzte mich und lehnte mich gegen die Wand. Ein stechender Schmerz durchschoß meine Waden - eine Reaktion des Körpers auf die plötzlich nachlassende Anspannung. Ich zog meine Schuhe aus und lehnte den Kopf zurück.
Die Luft in der Kate war schwül, und schweres Atmen war zu hören. Nicht das gleichmäßige Schnarchen gesunder Männer, sondern das flache Keuchen derjenigen, denen das Atmen Schmerzen bereitete, und das Stöhnen derer, die in einen zeitweiligen Dämmerzustand verfallen waren und vergessen hatten, daß ein Mann Schmerzen klaglos erduldet.
Die Männer in dieser Kate waren zwar schwer verwundet, befanden sich aber außer Lebensgefahr. Doch ich wußte, daß der Tod nachts durch die Gänge einer Krankenstation streift und nach denen sucht, deren Abwehrkräfte geschwächt sind, nach denen, die in ihrer Einsamkeit und Angst unfreiwillig seinen Weg kreuzen. Einige der Verwundeten hatten ihre Frauen bei sich, die sie trösteten, doch die Männer in dieser Kate hatten niemanden - außer mir.
Auch wenn ich jetzt nur noch wenig tun konnte, um sie zu heilen oder ihre Schmerzen zu lindern, so konnte ich ihnen wenigstens das Gefühl geben, daß sie nicht allein waren; daß jemand bei ihnen war, der sich zwischen sie und die Schatten der Nacht stellte.
Ich stand auf und stieg über die Strohlager hinweg, bückte mich zu jedem einzelnen hinunter, sprach tröstende Worte, brachte eine Decke in Ordnung, strich dem einen das Haar glatt und massierte einem anderen die verkrampften Gliedmaßen. Hier verlangte einer einen Schluck Wasser, dort mußte der Verband gewechselt werden, hier wurde eine Urinflasche gebraucht, die ich mit größter Selbstverständlichkeit herbeiholte und die, während sich der Verwundete erleichterte, in meiner Hand schwer und warm wurde.
Als ich hinausging, um eine solche Flasche zu entleeren, blieb ich kurz stehen und sog die kühle Nachtluft ein, die den Geruch der Ausdünstungen in der Kate hinwegfegte. Ich ließ die weiche Feuchtigkeit über meine Haut streichen und vergaß für einen Augenblick die rauhe behaarte Haut der Verwundeten.
»Du hast nicht viel geschlafen, Sassenach.« Jamies leise Stimme ertönte von der Straße her. Die anderen Katen mit Verwundeten befanden sich in dieser Richtung. Das Quartier der Offiziere lag auf der anderen Seite.
»Du auch nicht«, erwiderte ich nüchtern. Ich fragte mich, wie lange er nun schon ohne Schlaf auskam.
»Ich habe vergangene Nacht mit den Männern draußen im Freien geschlafen.«
»Ach ja? Sicher außerordentlich erholsam«, bemerkte ich ironisch, und er mußte lachen. Sechs Stunden Schlaf auf der feuchten Erde, danach die Schlacht, in der ein Pferd auf ihn getreten war, die Verwundung durch ein Schwert und weiß Gott, was sonst noch. Dann hatte er seine Männer um sich gesammelt, hatte die Verwundeten geholt, sich um die Verletzten gekümmert, die Toten betrauert und seinem Prinzen gedient. Und in der ganzen Zeit hatte ich nicht einmal gesehen, daß er etwas gegessen oder sich ausgeruht hätte.
Ich tadelte ihn nicht. Ich verlor auch kein Wort darüber, daß er, selbst verwundet, eigentlich bei den anderen am Boden hätte liegen müssen. Es war seine Aufgabe, hier zu sein.
»Es sind noch andere Frauen da, Sassenach«, sagte er sanft. »Soll ich Archie Cameron Bescheid sagen, daß er jemanden herüberschickt?«
Es war eine große Versuchung, die ich jedoch von mir wies, bevor ich allzulange darüber nachdachte - aus Angst, mich überhaupt nicht mehr rühren zu können, wenn ich meiner Müdigkeit erst einmal nachgab.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich halte schon durch bis zum Morgengrauen. Dann kann jemand anders die Wache übernehmen.« Wenn die Verwundeten erst einmal die Nacht überstanden hätten, wären sie, wie ich meinte, außer Gefahr.
Auch er tadelte mich nicht; er legte mir nur seine Hand auf die
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