Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
was wird meine Frau sagen, wenn ich...« MacBeth wurde tiefrot, als die Männer um ihn herum lachten und johlten.
    Jamie schielte fragend in meine Richtung, unterdrückte sein eigenes Grinsen und sagte überzeugt: »Laß dir darum keine grauen Haare wachsen, es wird schon wieder, MacBeth.«

    »Danke, Sir.« MacBeth atmete erleichtert aus. Er vertraute den Worten seines Kommandanten voll und ganz.
    »Trotzdem«, fuhr Jamie energisch fort, »die Wunde muß genäht werden. Du hast die Wahl.«
    Er griff in meinen chirurgischen Nähkasten und holte eine meiner Nadeln heraus. Abgeschreckt von den groben Instrumenten, die Bader und Wundärzte gewöhnlich benutzten, um ihre Kundschaft zusammenzuflicken, hatte ich mir drei Dutzend eigene Nadeln gemacht; ich hatte die feinsten Stricknadeln genommen, die ich finden konnte, sie mit Hilfe einer Zange über der Flamme einer mit Alkohol gefüllten Lampe erhitzt und sie behutsam zurechtgebogen, bis sie die erforderliche halbrunde Wölbung hatten. Auch mein Katgut, das Nahtmaterial, hatte ich mir selbst gemacht; es war eine unangenehme, ekelige Sache, aber so konnte ich wenigstens sicher sein, daß die Utensilien, die ich verwendete, steril waren.
    Die winzige Nähnadel wirkte geradezu lächerlich zwischen Jamies kräftigem Daumen und Zeigefinger. Seine schieläugigen Versuche, den Faden durch das Nadelöhr zu führen, trugen auch nicht dazu bei, Vertrauen in seine medizinischen Fähigkeiten zu wecken.
    »Entweder mache ich es selbst«, sagte er, oder...« Er unterbrach sich, als ihm die Nadel aus der Hand fiel und er in den Falten von MacBeth’ Plaid danach suchte. »Oder«, fuhr er fort und hielt die Nadel triumphierend dem besorgt dreinblickenden Verwundeten vor die Nase, »meine Frau macht es dir.« Mit einer Kopfbewegung lenkte er MacBeth’ Blick auf mich. Mit nüchterner Miene nahm ich Jamie die Nadel aus der Hand und fädelte sie mit einem Ruck ein.
    MacBeth’ große braune Augen wanderten langsam zwischen Jamies Pranken, die er so tollpatschig wie möglich ineinander verschränkt hatte, und meinen kleinen, flinken Händen hin und her. Dann ließ er sich resigniert auf sein Lager sinken und gab murmelnd sein Einverständnis, daß ein »Weibsbild« seinen intimsten Körperteil berührte.
    »Du kannst unbesorgt sein«, beschwichtigte ihn Jamie und tätschelte ihm freundlich die Schulter. »Schließlich gebe ich mein bestes Stück nun schon seit geraumer Zeit in ihre Hände, und sie hat mich bis heute noch nicht entmannt.« Unter dem Gelächter der Helferinnen und Verwundeten wollte Jamie aufstehen und sich davonmachen, aber ich hielt ihn zurück, indem ich ihm ein Fläschchen in die Hand drückte.

    »Was ist das?« fragte er.
    »Alkohol und Wasser«, erklärte ich. »Eine Desinfektionslösung. Wenn er kein Fieber oder Eiterungen oder noch Schlimmeres bekommen soll, muß die Wunde ausgewaschen werden.« Da MacBeth seit seiner Verwundung einen langen Weg zurückgelegt hatte, zeigten sich in der Umgebung der Wunde neben Blut- auch Schmutzspuren. Ethylalkohol war ein scharfes Desinfektionsmittel, auch wenn es im Verhältnis eins zu eins mit destilliertem, sterilem Wasser verdünnt wurde, wie ich es tat. Es war das einzige wirksame Mittel gegen Infektionen, das mir zur Verfügung stand, und ich bestand trotz der Klagen der Helferinnen und der Schmerzensschreie der Patienten, die damit behandelt wurden, unnachgiebig auf seiner Verwendung.
    Jamie blickte von der Alkoholflasche in seiner Hand auf die klaffende Wunde und erschauderte leicht. Er hatte die Wirkung des Mittels bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen, als ich vorhin seine Wunde genäht hatte.
    »Also, MacBeth, besser du als ich«, sagte er. Dann stieß er sein Knie fest in MacBeth’ Zwerchfell und goß den Inhalt der Flasche über die offene Wunde.
    Ein markerschütternder Schrei war zu hören. MacBeth wand sich wie eine entzweigeschnittene Schlange. Als sein Stöhnen schwächer wurde und schließlich verstummte, war sein Gesicht grünlichbleich. Er wehrte sich nicht, als ich begann, mit geübten, für den Patienten allerdings schmerzhaften Stichen den Hodensack zu nähen. Die meisten Patienten, auch die schwerverwundeten, ließen die Behandlung klaglos über sich ergehen, und MacBeth stellte keineAusnahme dar. Er lag regungslos da, furchtbar verlegen, die Augen starr auf die Flamme der Laterne gerichtet, und zuckte mit keiner Wimper, während ich ihn wieder zusammenflickte. Nur die Veränderung seiner

Weitere Kostenlose Bücher