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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schwer genug für einen gesunden Mann. Ich gab etwas Alaun und Schwefel auf den neuen Verband und hoffte das Beste. Wenn es nichts half, so schadete es wenigstens auch nichts. Weh tat es bestimmt, aber das war nicht zu ändern.
    »Es wird ein wenig brennen«, murmelte ich, während ich ihm den frischen Verband anlegte.
    »Keine Sorge, Mistress«, flüsterte er. Er lächelte mich an, obwohl ihm glänzender Schweiß die Wangen herunterlief. »Ich werde es schon aushalten.«
    »Gut.« Ich klopfte ihm beruhigend auf die Schultern, strich ihm
das Haar aus der Stirn und gab ihm einen Schluck Wasser. »In einer Stunde komme ich wieder, wenn Sie es so lange aushalten.«
    »Ich werde es schon aushalten«, wiederholte er.
     
    Als ich wieder nach draußen kam, glaubte ich zuerst, Jamie sei eingeschlafen. Er hatte die Arme um die Knie geschlungen und seinen Kopf darauf gebettet. Doch als er mich kommen hörte, blickte er auf und ergriff meine Hände. Ich setzte mich neben ihn.
    »Ich hörte im Morgengrauen die Kanone«, sagte ich und dachte an den Verwundeten drinnen, dem eine Kanonenkugel das Bein zerschmettert hatte. »Ich hatte Angst um dich.«
    Er lachte leise. »Ich auch, Sassenach. Wir alle.«
    Lautlos wie Nebelstreifen drangen die Hochlandschotten vor. Es war immer noch stockfinstere Nacht, aber die Luft war anders geworden. Der Wind hatte gedreht, er wehte nun vom Meer her über das kalte Land, und aus der Ferne war das Rollen der Wellen am Sandstrand zu hören.
    Es war noch dunkel, doch der Himmel hatte bereits seine Farbe verändert. Jamie sah den Mann im letzten Augenblick; noch ein Schritt, und er wäre über den zusammengekauerten Körper gestolpert.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und er ging in die Hocke, um besser sehen zu können. Ein Rotrock, schlafend, weder tot noch verwundet. Er horchte angestrengt in die Dunkelheit, auf das Atmen anderer Schläfer. Nichts, nur das Rauschen des Meeres und der Wind, und das beinahe lautlose Rascheln von Schritten.
    Er drehte sich um und schluckte; sein Mund war trotz der feuchten Luft wie ausgedörrt. Dicht hinter ihm rückten andere Männer vor; er durfte nicht lange zögern. Sein Hintermann war vielleicht nicht so vorsichtig wie er, und sie konnten es sich nicht leisten, daß jemand vor Schreck laut aufschrie.
    Jamie legte die Hand an seinen Dolch, doch er zögerte. Krieg war Krieg, aber es ging nicht an, einen schlafenden Feind einfach niederzumetzeln. Der Mann schien allein zu sein, etwas entfernt von seinen Kameraden. Wahrscheinlich war er kein Wachsoldat. Nicht einmal der pflichtvergessenste Wachposten würde schlafen, wenn er wußte, daß auf dem Berg über ihm die Hochlandschotten lagerten. Vielleicht war der Soldat aufgestanden, um sich zu erleichtern, und hatte sich, ohne es zu merken, zu weit von seinen Kameraden
entfernt. Vielleicht hatte er in der Dunkelheit die Orientierung verloren und sich dort zum Schlafen niedergelegt, wo er sich gerade befand.
    Der Griff von Jamies Muskete war schweißnaß. Er rieb sich die Hände an seinem Plaid trocken, erhob sich, packte die Muskete am Lauf und ließ den Kolben mit einem Schwung hinuntersausen. Er spürte die Erschütterung bis in die Schulterblätter; ein bewegungsloser Schädel ist sehr hart. Außer einem schweren Atemstoß gab der Mann keinen Laut von sich, und jetzt lag er reglos auf dem Gesicht.
    Mit zitternden Händen beugte sich Jamie noch einmal über ihn und tastete am Hals nach dem Puls. Als er den Herzschlag spürte, stand er erleichtert auf. Da hörte er hinter sich einen erstickten Schrei. Jamie schwang herum, holte mit der Muskete noch einmal aus - und blickte in das Gesicht eines Clansmanns von Keppoch MacDonald.
    » Mon Dieu!« flüsterte der Mann und bekreuzigte sich, und Jamie knirschte gereizt mit den Zähnen. Es war Keppochs französischer Priester, der auf O’Sullivans Anweisung Rock und Plaid trug wie die kämpfenden Männer.
    »Der Kerl hatte sich nicht davon abbringen lassen, daß es seine Pflicht sei, den Verwundeten und Sterbenden auf dem Schlachtfeld die Sakramente zu spenden«, fuhr Jamie mit seinem Bericht fort und zog sich das Plaid enger um die Schultern. Allmählich wurde es kühl. »O’Sullivan vermutete, daß ihn die Engländer, falls sie ihn in seinem Priesterrock auf dem Schlachtfeld erwischten, in Stücke reißen würden. Wie auch immer, jedenfalls sah er aus wie ein ausgemachter Narr mit seinem Plaid«, fügte er mißbilligend hinzu.
    Der Priester hatte den lächerlichen

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