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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hatte ich mich durch das Chaos des Todes gekämpft, einfach, weil ich keine andere Wahl gehabt hatte. Und ich kannte jenes seltsame Gefühl des Losgelöstseins. Der Verstand scheint sich über den Körper zu erheben, kühl beobachtend und dirigierend. Die körperliche Erschöpfung tritt erst viel später ein, wenn die Krise überstanden ist.
    Diesen Punkt hatte ich noch nicht erreicht. Ich nahm meinen Umhang von den Schultern und legte ihn über Jamie, bevor ich in die Kate zurückging.
     
    Es dämmerte, und mit dem Morgen kam die Ablösung in Gestalt von zwei Dorffrauen und einem Armeearzt. Der Mann mit der schweren Beinverletzung war immer noch blaß und zittrig, doch
die Blutung hatte aufgehört. Jamie nahm mich am Arm und führte mich die Straße von Tranent entlang.
    O’Sullivans beständige Probleme mit der Truppenverpflegung waren durch die erbeuteten Wagen zumindest vorläufig beigelegt: Es war genügend Essen da. Wir aßen rasch und nahmen dabei kaum den Geschmack des heißen Haferbreis wahr. Die Nahrung füllte meinen Bauch, und als ich allmählich satt wurde, konnte ich an das denken, was ich am zweitdringendsten brauchte: Schlaf.
    In jedem Haus und in jeder Kate waren Verwundete untergebracht; die Gesunden schliefen meist draußen im Freien. Jamie hätte zwar einen Platz im Pfarrhaus bei den anderen Offizieren beanspruchen können, aber er nahm meinen Arm und steuerte jenseits der Katen auf einen Hügel zu, in ein kleines Wäldchen.
    »Es ist ein bißchen weit«, erklärte er entschuldigend und blickte mich an, »aber ich dachte, du möchtest lieber deine Ruhe haben.«
    Ich nickte. Obwohl ich unter Bedingungen aufgewachsen war, die die meisten meiner Zeitgenossen als primitiv empfunden hätten - während Onkel Lambs Expeditionen wohnten wir in Zelten und Lehmhütten -, war ich doch nicht daran gewöhnt, dicht gedrängt neben anderen zu schlafen, wie es hier üblich war. In winzigen, stickigen Katen, die von rauchigem Torffeuer erhellt und geheizt wurden, aßen die Menschen, schliefen und paarten sich. Das einzige, was sie nicht gemeinsam taten, war baden - und zwar deshalb, weil sie überhaupt nicht badeten.
    Jamie führte mich zu einer kleinen Lichtung, die mit raschelndem Laub bedeckt war. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, unter den Bäumen war es noch kalt, und die gelben Blätter waren von leichtem Reif überzogen.
    Jamie zog mit dem Absatz eine breite Rinne in das Laub, dann stellte er sich an das eine Ende der Mulde, legte eine Hand an die Schnalle seines Gürtels und läche 1 nich an.
    »Es ist etwas umständlich, sich anzukleiden, aber man kann sich sehr leicht ausziehen.« Er schnallte den Gürtel los, sein Plaid fiel zu Boden, und er stand da, nur mit seinem Hemd bekleidet, das ihm nicht einmal bis zum Knie reichte. Gewöhnlich trug er den militärischen »kurzen Kilt«, der an der Hüfte gehalten wurde; das Plaid, das er sich über die Schulter warf, war eine separate Tuchbahn. Doch sein Kilt war in der Schlacht zerrissen und schmutzig geworden, und deshalb hatte er sich eines der älteren, mit einem Gürtel
versehenen Plaids besorgt - eine lange Tuchbahn, die um die Hüfte geschlungen und nur mit einem Gürtel gehalten wurde.
    »Wie ziehst du das bloß an?« fragte ich neugierig.
    »Tja, man legt es auf den Boden, so wie ich jetzt...«, er kniete sich nieder und breitete das Tuch in der Mulde aus, »dann legt man es in regelmäßige Falten, legt sich darauf und rollt sich darin ein.«
    Ich brach in Lachen aus, kniete mich neben Jamie und half ihm, den dicken Wollstoff glattzustreichen.
    »Das möchte ich gerne sehen!« rief ich. »Weck mich auf, bevor du dich anziehst.«
    Er schüttelte vergnügt den Kopf, und das zwischen den Bäumen durchdringende Sonnenlicht funkelte in seinen Haaren.
    »Sassenach, die Chance, daß ich vor dir aufwache, sind geringer als die Überlebenschancen eines Wurmes im Hühnerstall. Meinetwegen kann mich noch einmal ein Pferd treten, ich rühre mich bis morgen nicht mehr.« Er legte sich behutsam nieder und streifte das Laub von seinem Plaid.
    »Komm, leg dich zu mir.« Er streckte mir einladend die Hand entgegen. »Wir decken uns mit deinem Umhang zu.«
    Die Blätter unter dem weichen Wollstoff stellten eine überraschend bequeme Unterlage dar, obwohl ich so müde war, daß ich auch auf einem Nagelbrett geschlafen hätte. Ich streckte mich neben Jamie aus und genoß das Gefühl, einfach so dazuliegen.
    Die Kälte wich schnell, als unsere Körper die Mulde

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