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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ein reicher Kaufmann, und deshalb möchte sich Seine Hoheit die Sympathie der Familie erhalten.«
    Die Miß Williams, mit der er gerade tanzte, sah völlig berückt aus, und ich fragte mich finster, wie sehr er sie ermutigte. Dann
wurde meine Aufmerksamkeit von Lord Balmerino abgelenkt, der mit Lord George Murrays Frau an uns vorbeitanzte. Ich sah, wie die Murrays liebevolle Blicke tauschten, als sie - er mit einer anderen Miß Williams - aneinander vorbeikamen, und schämte mich meiner Eifersucht.
    Es überraschte niemanden, daß Colum nicht am Ball teilnahm. Ober wohl schon Gelegenheit gehabt hatte, mit Charles zu sprechen? Aber es sah nicht so aus. Charles war viel zu fröhlich - gewiß hatte er die schlechte Nachricht noch nicht erhalten.
    Auf einer Seite der Galerie entdeckte ich zwei kräftige Gestalten, denen man ansah, daß sie sich in den unbequemen Festgewändern gar nicht wohl fühlten. Es waren John Simpson, der Zunftmeister der Waffenschmiede von Glasgow, und sein Sohn, John Simpson der Jüngere. Die beiden waren Anfang der Woche eingetroffen, um Seiner Hoheit eines der prächtigen Breitschwerter zu überreichen, für deren Herstellung sie in ganz Schottland berühmt waren. Zweifellos waren die beiden Handwerker eingeladen worden, um Don Francisco zu demonstrieren, welch breite Unterstützung die Stuarts genossen.
    Die beiden Männer hatten dichtes, dunkles Haar und Bärte, die schon angegraut waren - der des älteren Simpson war fast ganz weiß, der des jüngeren erst an Schläfen und Backenbart. Eben stieß der alte Schwertmacher seinen Sohn in die Seite und nickte bedeutsam in Richtung einer der Kaufmannstöchter, die neben ihrem Vater am Rand der Tanzfläche stand.
    Der junge Simpson sah seinen Vater skeptisch an, doch dann zuckte er die Achseln, schritt auf die dritte Miß Williams zu und bot ihr mit einer Verbeugung seinen Arm.
    Fasziniert und belustigt beobachtete ich, wie die beiden munter fürbaß schritten, denn Jamie, der die Simpsons bereits kannte, hatte mir gesagt, der junge Simpson sei fast taub.
    »Wohl vom Hämmern an der Esse«, hatte er gesagt und mir stolz das wunderschöne Schwert gezeigt, das er bei den Handwerkern erstanden hatte. »Stocktaub. Der Vater führt die Verhandlungen, aber der Junge sieht alles.«
    Die scharfen dunklen Augen des jungen Simpson flogen flink über die Tanzfläche, um den Abstand von einem zum nächsten Paar abzuschätzen. Der Waffenschmied tanzte etwas schwerfällig, doch er blieb genau im Rhythmus - mindestens so gut wie ich. Mit
geschlossenen Augen spürte ich, wie die Musik den Holzboden vibrieren ließ - vermutlich orientierte er sich daran. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, wie der junge Simpson bei einem kreischenden Mißklang der Geigen zusammenzuckte. Vielleicht hörte er doch etwas?
    Der Fortgang des Tanzes brachte Kilmarnock und mich in die Nähe von Charles und Don Francisco, die an dem riesigen, mit Fliesen verzierten offenen Kamin standen und sich die Rockschöße wärmten. Zu meiner Verblüffung warf mir Charles über Don Franciscos Schultern hinweg einen finsteren Blick zu und machte eine abweisende Geste. Als Lord Kilmarnock dies sah, lachte er kurz auf.
    »Seine Hoheit fürchtet wohl, Sie dem Spanier vorstellen zu müssen!« bemerkte er.
    »Wirklich?« Ich blickte noch einmal zu Charles, der inzwischen mit seiner Unterhaltung fortfuhr und seine Rede mit ausdrucksvollen italienischen Gesten untermalte.
    »Vermutlich.« Lord Kilmarnock war ein guter Tänzer, und ich begann mich langsam zu entspannen, so daß ich plaudern konnte, ohne mir insgeheim Sorgen machen zu müssen, ob ich nicht über meine Röcke stolperte.
    »Haben Sie die dumme Flugschrift gesehen, die Balmerino überall herumzeigt?« fragte er, und als ich nickte, fuhr er fort: »Ich denke, daß Seine Hoheit sie auch gesehen hat. Und die Spanier sind abergläubisch genug, um für einen solchen Unsinn empfänglich zu sein. Ein Mensch von Verstand und Bildung kann so etwas nicht ernst nehmen«, versicherte er mir, »aber ohne Zweifel geht Seine Hoheit auf Nummer Sicher. Spanisches Gold ist schon ein Opfer wert.« Womit auch die Preisgabe des eigenen Stolzes gemeint war: Charles behandelte die schottischen Grafen und Clanoberhäupter wie Bettler. Wenigstens hatte er sie an diesem Abend zum Fest eingeladen - zweifellos, um Don Francisco zu beeindrucken.
    »Haben Sie die Bilder bemerkt?« fragte ich, um das Thema zu wechseln. Über hundert Gemälde zierten die Wände der

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