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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ich Angst vor Überfällen gehabt hätte. Auch wenn ich nicht allen Jakobiten, die die Stadt besetzt hatten, bekannt gewesen wäre - die allgemein verbreitete Abneigung gegen frische Luft hielt die Menschen in den Häusern.
    Mich quälte nur die Angst, im Finstern auszurutschen und mir auf den schlüpfrigen Pflastersteinen den Fuß zu verrenken. Die Stadt wurde lediglich vom schwachen Schein der Laternen erleuchtet, die die Nachtwächter bei sich trugen. Diese hatten die irritierende Angewohnheit, von Toreingang zu Toreingang zu huschen und wie Glühwürmchen aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Manchmal verschwand ein solcher Laternenträger auch für eine gute halbe Stunde ganz von der Bildfläche, etwa wenn er einen
Abstecher in die Taverne am Ende des Canongate machte, um sich ein lebensrettendes heißes Ale zu genehmigen.
    Ich spähte zum grauen Himmel über der Kirche am Canongate, um einzuschätzen, wieviel Zeit noch bis zum Einbruch der Dunkelheit blieb. Mit ein bißchen Glück konnte ich noch in Mr. Haughs Apotheke vorbeischauen. Er konnte zwar nicht die Schätze vorweisen, die Raymond in seinem gutsortierten Pariser Lager zu bieten hatte, doch er verkaufte Roßkastanien und Fuchsulmenrinde und konnte mir Pfefferminze und Berberitze beschaffen. Um diese Jahreszeit waren sein Verkaufsschlager Kampferkugeln, die als unfehlbares Mittel gegen Erkältung, Katarrh und Schwindsucht galten. Auch wenn sie nicht mehr halfen als moderne Erkältungsmittel, so waren sie doch auch nicht schädlicher. Sie rochen jedenfalls umwerfend gesund.
    Obwohl die Menschen durch rote Nasen und bleiche Gesichter entstellt waren, wurden im Palast dauernd Feste abgehalten, bei denen die Noblesse von Edinburgh ihrem Prinzen begeistert huldigte. Schon in zwei Stunden würden Diener, die ihre Herrschaften zum Ball geleiteten, mit flackernden Laternen durch die High Street eilen.
    Ich seufzte bei dem Gedanken an den bevorstehenden Ball und die niesenden Kavaliere, die mit verstopfter Nase höfliche Komplimente machten. Vielleicht sollte ich mir Knoblauch besorgen. Man trug ihn gewöhnlich in einer silbernen Duftkugel um den Hals zur Abwehr von Krankheiten. Auf jeden Fall hielt er kränkelnde Gesprächs- und Tanzpartner auf Abstand.
    Die Stadt war von Charles’ Truppen besetzt. Die Engländer wurden zwar nicht gerade belagert, fristeten aber in der Burg oberhalb der Stadt ein ziemlich abgeschiedenes Dasein. Dennoch sickerten aus beiden Lagern Nachrichten durch, denen man jedoch nur bedingt Glauben schenken konnte. Mr. Haugh kannte die neuesten Gerüchte, denen zufolge der Herzog von Cumberland südlich von Perth Truppen zusammenzog, um so bald wie möglich nach Norden zu marschieren. Ich hatte keine Ahnung, ob das stimmte, bezweifelte es aber, da ich mich in den historischen Quellen an keine Erwähnung Cumberlands vor dem Frühjahr 1746 erinnern konnte - und soweit war es noch nicht. Dennoch mußte man das Gerücht ernst nehmen.
    Die Wache am Tor nickte mir hustend zu. Auch die Wachposten
in den Korridoren und an den Treppen husteten. Ich widerstand dem Impuls, ihnen meinen knoblauchgefüllten Korb wie ein Weihrauchgefäß entgegenzuschwenken, und eilte in den Nachmittagssalon, zu dem man mir ohne Zögern Zutritt gewährte.
    Dort befand sich Seine Hoheit in Gesellschaft von Jamie, Aeneas MacDonald, O’Sullivan, dem Sekretär Seiner Hoheit und einer finsteren Gestalt namens Francis Townsend, der in letzter Zeit in Seiner Hoheit Gunst stand. Die meisten der Anwesenden hatten rote Nasen, niesten und schnieften. Der schöne Kamin war mit ausgespucktem Schleim verklebt. Ich musterte Jamie, der erschöpft und bleich auf seinem Stuhl saß.
    Die Männer, die daran gewöhnt waren, daß ich von meinen Streifzügen in der Stadt Neuigkeiten über die englischen Truppenbewegungen mitbrachte, hörten mir aufmerksam zu.
    »Wir sind Ihnen unendlich zu Dank verpflichtet, Mistress Fraser«, meinte Seine Hoheit, als ich meinen Bericht beendet hatte. Dabei verneigte er sich höflich und lächelte. »Sie müssen mir sagen, auf welche Weise ich Ihnen Ihre großzügigen Dienste vergelten kann.«
    »Ich wüßte schon, wie«, erwiderte ich und ergriff die Gelegenheit beim Schopf. »Ich möchte meinen Mann gerne mitnehmen und ins Bett stecken. Und zwar gleich.«
    Der Prinz starrte mich verblüfft an, hatte sich aber schnell wieder gefaßt. Aeneas MacDonald, der weniger Selbstbeherrschung aufbrachte, wurde von einem eigenartig erstickt klingenden Hustenanfall

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