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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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»weil Dougal immer mehr als willens war, sich Seiner Hoheit anzuschließen. Jetzt, da Colum tot ist, ist Dougal das Clanoberhaupt. Und deshalb werden die MacKenzies von Leoch mit der
Hochlandarmee marschieren«, sagte er leise, »bis zum Sieg - oder bis zum bitteren Ende.«
    Besorgnis und Müdigkeit standen ihm ins Gesicht geschrieben, und er ließ es geschehen, daß ich hinter ihn trat und meine Hände auf seine breiten Schultern legte. Er seufzte erleichtert, als sich meine Fingerspitzen in seine Halsmuskeln drückten, und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme. Auf dem Tisch, an dem er saß, stapelten sich Briefe und Depeschen. Inmitten dieser Papiere lag ein kleines Notizbuch, schon ziemlich abgegriffen, das in rotes Saffianleder gebunden war. Colums Tagebuch, das Jamie aus der Suite seines Onkels geholt hatte, weil er gehofft hatte, es enthielte einen letzten Eintrag, der Colums Entschluß bekräftigte, die Jakobiten nicht zu unterstützen.
    »Nicht, daß das Dougal aufhalten würde«, sagte er und blätterte in den eng beschriebenen Seiten, »aber eine andere Möglichkeit haben wir nicht.«
    Doch in Colums Tagebuch fand sich kein Eintrag von den letzten drei Tagen, lediglich eine Bemerkung, die sich auf unser Gespräch im Kirchhof am Tag zuvor bezog.
    Mich mit Jamie und seiner Frau getroffen. Habe endlich meinen Frieden mit Ellen gemacht. Das war natürlich wichtig - für Colum, für Jamie und möglicherweise auch für Ellen -, aber es würde kaum dazu beitragen, die Überzeugungen Dougal MacKenzies ins Wanken zu bringen.
    Jamie richtete sich wieder auf. Sein Blick war düster und resigniert.
    »Das bedeutet, Claire, daß unser aller Schicksal jetzt in seinen Händen liegt - Charles’, meine ich. Wir haben nun keine andere Wahl mehr. Wir müssen versuchen, ihm zum Sieg zu verhelfen.«
    Mein Mund war trocken vom Wein. Ich befeuchtete mir mit der Zunge die Lippen, bevor ich antwortete.
    »Das scheint mir auch so! Verdammt! Warum hat Colum nicht etwas länger warten können? Bis morgen, bis er mit Charles gesprochen hatte.«
    Jamie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich glaube nicht, daß er dabei viel mitzureden hatte, Sassenach. Nur die wenigsten Menschen wählen die Stunde ihres Todes selbst.«
    »Colum wollte es tun.« Ich hatte bisher gezögert, Jamie von
meiner ersten Begegnung mit Colum in Holyrood zu erzählen. Doch jetzt gab es keinen Grund mehr, es für mich zu behalten.
    Als Jamie hörte, daß Colum beschlossen hatte, sich das Leben zu nehmen, schüttelte er ungläubig den Kopf und seufzte.
    »Dann frage ich mich«, murmelte er vor sich hin, »ob dies nicht ein Zeichen ist, Claire.«
    »Ein Zeichen?«
    »Colums Tod, bevor er, wie er vorhatte, Charles’ Hilferuf abweisen konnte. Ob dies ein Zeichen dafür ist, daß Charles seinen Kampf gewinnen soll?«
    Ich erinnerte mich an meinen Abschied von Colum. Der Tod hatte ihn überrascht, als er im Bett saß, ein volles Glas Weinbrand neben sich. Er war also gestorben, wie er es sich gewünscht hatte, mit klarem Kopf und wachem Verstand. Sein Mund war fest zusammengepreßt, tief eingeschnitten die Falten zwischen Nase und Kinn. Der Schmerz, sein ständiger Begleiter, war ihm auch auf seinem letzten Weg nicht von der Seite gewichen.
    »Das weiß Gott allein«, sagte ich schließlich.
    »Aye?« erwiderte er. »Aye. Ich hoffe, daß es jemand weiß.«

38
    Ein Handel mit dem Teufel
    Die dicken Regenwolken, die die Burg einhüllten, brachten Husten und Schnupfen nach Edinburgh. Es regnete Tag und Nacht, so daß das Pflaster endlich einmal von Abwässern gesäubert wurde, aber die Freude über die reine Luft wurde durch den schleimigen Auswurf getrübt, der allenthalben in den Gassen und Gäßchen zu finden war.
    Trotz des unwirtlichen Wetters war ich die meiste Zeit draußen, unterwegs zwischen Holyrood und dem Canongate. Der Regen, der mir ins Gesicht peitschte, schien mir erträglicher als der Rauch schwelender Holzfeuer und die bakterienverseuchte Luft im Innern der Häuser. Die Bewohner des Palasts husteten und niesten fortwährend. Die erlauchte Anwesenheit Seiner Hoheit zwang die Leidenden allerdings, in schmutzige Taschentücher oder in die mit Delfter Fliesen verzierten Kamine zu spucken und den auf Hochglanz polierten Fußboden aus schottischer Eiche zu verschonen.
    Es wurde schnell dunkel in dieser Jahreszeit. Ich befand mich auf der High Street und beeilte mich, noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Holyrood zu sein. Nicht, daß

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