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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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eintrafen.
    Manchmal besuchte er Alexander, während ich dort war. Manchmal trat, während ich in der Abenddämmerung nach Hause ging, eine in schlichtes Braun gekleidete Gestalt hinter einer Hausecke hervor und gab mir ein Zeichen, oder eine Stimme sprach mich aus dem Nebel an. Es war zermürbend; manchmal hatte ich das Gefühl, von Franks Geist verfolgt zu werden.
    Es wäre viel einfacher für Randall gewesen, in Alex’ Zimmer einen Brief für mich zu hinterlassen, aber er wollte nichts Schriftliches hinterlegen, was mir einleuchtete. Wenn ein solcher Brief jemals gefunden wurde - auch ohne Unterschrift -, hätte das nicht nur ihn, sondern auch Alexander in Gefahr gebracht. Edinburgh wimmelte nur so von Fremden: Freiwillige, die sich unter dem Banner von König James versammelten, neugierige Besucher aus dem Süden und Norden, Gesandte aus Frankreich und Spanien, Spione und Informanten in großer Zahl. Die einzigen, die sich nicht auf den Straßen blicken ließen, waren die Offiziere und Soldaten der englischen Garnison, die die Burg nicht verlassen durften. Solange uns niemand belauschte, würde niemand Randall als englischen Offizier erkennen oder unsere Begegnung als ungewöhnlich empfinden, selbst wenn man uns sah - und man sah uns selten, dafür sorgte er.
    Mir kam das ebenfalls sehr entgegen; schriftliche Zeugnisse hätte ich vernichten müssen. Jamie hätte Randalls Handschrift wahrscheinlich nicht erkannt, aber ich hätte ihm nicht erklären können, woher ich meine regelmäßigen Informationen bezog, ohne lügen zu müssen. Es war besser, so zu tun, als wären Randalls Nachrichten nichts anderes als Gerüchte, die ich von meinen Streifzügen mit nach Hause brachte.
    Der Nachteil allerdings bestand darin, daß ich Randalls Informationen nicht besonders hervorheben konnte und deshalb die Gefahr bestand, daß sie in der Flut der Gerüchte untergingen. Zwar war ich überzeugt, daß Jack Randall mir seine Nachrichten in gutem Glauben überbrachte - soweit ein solches Wort für diesen Mann überhaupt angemessen war -, doch schloß ich daraus
nicht, daß alles stimmte. Auch seine Informationen waren mit Vorsicht zu genießen.
    Ich überbrachte die Nachricht von Harleys neuen Regimentern mit jenem leichten Schuldgefühl, das ich stets empfand, da ich Jamie meine eigentliche Quelle nicht preisgab. Obwohl ich Aufrichtigkeit in der Ehe als wesentlich erachtete, fand ich auch, man sollte es nicht übertreiben damit. Ich sah keinen Grund, weshalb die für die Jakobiten nützlichen Auskünfte Jamie gleichzeitig Kummer und Schmerz zufügen sollten.
    »Der Herzog von Cumberland wartet auf die Rückkehr seiner Truppen aus Flandern«, fuhr ich fort. »Und die Belagerung der Burg von Stirling kommt nicht voran.«
    Jamie schrieb eifrig weiter und murmelte: »Das weiß ich bereits; Lord George hat vor zwei Tagen von Francis Townsend eine Nachricht erhalten. Er hat die Stadt schon erobert, aber das Ausheben von Gräben, wie Seine Majestät es befiehlt, kostet Kraft und Zeit. Das wäre nicht nötig; es wäre besser, die Burg mit Kanonen zu beschießen und sie dann zu stürmen.«
    »Warum heben sie dann Gräben aus?«
    Jamie winkte zerstreut ab.
    »Weil die italienische Armee bei der Einnahme der Burg von Verano ebenfalls Gräben gebaut hat - die einzige Form der Belagerung, die Seine Hoheit kennt, folglich muß es hier ebenso gemacht werden, ist doch klar, oder?«
    »Och, aye«, nickte ich höchst schottisch.
    Es klappte; er sah auf und lachte.
    »Das ist schon recht beachtlich, Sassenach«, lobte er. »Was kannst du noch sagen?«
    »Das Vaterunser auf gälisch. Willst du es hören?« fragte ich.
    »Nein«, erwiderte er und streute Sand auf seinen Brief. Dann stand er auf, gab mir einen Kuß und griff nach seinem Rock. »Aber ich habe Hunger. Komm, Sassenach. Laß uns in eine gemütliche Taverne gehen, dann bringe ich dir Dinge bei, die man in der Öffentlichkeit nicht sagt. Ich habe sie ganz frisch in Erinnerung.«
     
    Die Burg von Stirling fiel schließlich. Doch der Preis dafür war hoch gewesen und der Vorteil, der daraus erwuchs, zweifelhaft. Dennoch, dieser Sieg hatte auf Charles eine euphorische - und letztlich fatale - Wirkung.

    »Es ist mir endlich gelungen, Murray zu überzeugen, diesen verbohrten Narren!« rief Charles. Dann fiel ihm sein Sieg wieder ein, und er strahlte. »Ich habe gesiegt, fürwahr, trotz allem. Wir ziehen heute in einer Woche gen England, und wir werden das ganze Reich meines Vaters

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