Die Geliehene Zeit
kann er einfach behaupten, Lallybroch habe sich schon seit jeher in seinem Besitz befunden und ich sei lediglich sein Lehnsmann - und als Beweis dafür gibt er an, daß er Männer von Lallybroch an der Seite der Stuarts in den Kampf geschickt hat.«
»Käme er damit wirklich durch?« fragte ich zweifelnd.
Jamie holte tief Luft und atmete dann aus, wobei Dampfwölkchen wie der Gifthauch eines Drachen aus seiner Nase stiegen. Er lächelte grimmig und klopfte auf die Felltasche an seiner Hüfte.
»Jetzt nicht mehr«, sagte er.
Die Reise von Beauly nach Lallybroch dauerte zwei Tage - bei gutem Wetter, mit gesunden Pferden und auf trockenem Boden, wenn man nur haltmachte, um zu essen, zu schlafen und sich zu erleichtern. Doch zehn Kilometer hinter Beauly wurde das eine Pferd lahm, es schneite und regnete, und der Boden gefror stellenweise zu glattem Eis. Es dauerte fast eine Woche, bis wir den Hang hinunterritten, der zum Gut von Lallybroch führte - frierend, müde, hungrig und schmutzig.
Wir waren allein. Murtagh war mit dem jungen Simon und den Männern von Beaufort nach Edinburgh geritten, um zu erkunden, wie es um die Hochlandarmee stand.
Das Gutshaus lag im Schutze der Nebengebäude, weiß wie die schneebedeckten Felder, die es umgaben.
Das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein, verstärkte sich, als ich Jamie in den Flur folgte, wo uns der vielversprechende Duft von gebratenem Fleisch und frischem Brot entgegenschlug.
»Abendessen«, sagte Jamie und schloß glückselig die Augen, während er den Duft einsog. »Mein Gott, ich habe einen Mordshunger.« Von seinem Umhang tropfte Schmelzwasser und hinterließ Flecken auf dem Holzboden.
Unsere Stimmen drangen durch den Flur, eine Tür öffnete sich im
oberen Stock, das Getrappel kleiner Füße war zu hören und ein Freudenschrei, als der kleine Jamie seinen Namensvetter entdeckte.
Der Jubel des Wiedersehens erregte die Aufmerksamkeit der anderen Hausbewohner, und ehe wir uns versahen, wurden wir von Jenny, der kleinen Maggie, lan, Mrs. Crook und den Dienstmägden umarmt und begrüßt.
»Wie schön, dich wiederzusehen, mein Lieber!« sagte Jenny nun schon zum drittenmal und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Jamie zu küssen. »Nach allem, was wir von der Armee gehört haben, haben wir schon befürchtet, es würde Monate dauern, bis ihr wieder hier seid.«
»Aye«, nickte lan. »Habt ihr auch einige unserer Männer mitgebracht, oder ist dies nur ein Kurzbesuch?«
»Mitgebracht?« Jamie, der eben seine ältere Nichte zur Begrüßung auf den Arm genommen hatte, hielt inne und starrte seinen Schwager entgeistert an. Als die kleine Maggie ihn an den Haaren zog, gab er ihr zerstreut einen Kuß und reichte sie mir.
»Was meinst du damit, lan?« fragte er. »Die Männer sollten doch schon vor einem Monat hier eintreffen. Sind denn nicht alle nach Hause gekommen?«
Ich hielt die kleine Maggie im Arm, und mich überkam eine schreckliche Ahnung, als ich sah, wie das Lächeln aus lans Gesicht wich.
»Keiner von ihnen ist zurückgekommen, Jamie«, sagte er langsam. »Wir haben sie nicht mehr gesehen, seit sie mit euch weggeritten sind.«
Von draußen, wo Rabbie MacNab die Pferde in den Stall führte, ertönte ein Ruf. Jamie lief zur Tür, stieß sie auf und beugte sich in den Sturm hinaus.
Über seine Schultern hinweg sah ich einen Reiter, der durch das heftige Schneetreiben galoppierte. Man konnte sein Gesicht nicht genau erkennen, aber ich wußte sofort, wer die kleine drahtige Gestalt war, die fest im Sattel saß. »Schnell wie der Blitz« hatte Jamie gesagt, und er hatte recht. Eine Reise von Beauly nach Edinburgh und dann nach Lallybroch innerhalb von einer Woche zu schaffen, erforderte unglaubliche Zähigkeit. Es war Murtagh, und es bedurfte Maisris seherischer Gabe nicht, um zu erkennen, daß er schlechte Nachrichten brachte.
42
Begegnungen
Kreidebleich vor Zorn riß Jamie die Tür des Morgensalons in Holyrood auf. Ewan Cameron sprang auf und stieß dabei das Tintenfaß um, das vor ihm stand. Ihm gegenüber saß Simon Fraser, der junge Herr von Lovat, doch er zog nur die Brauen hoch, als sein Neffe hereinstürmte.
»Verdammt!« fluchte Ewan, während er in seinem Ärmel ein Taschentuch suchte, um die Tintenpfütze aufzuwischen. »Was ist in Sie gefahren, Fraser? Oh, guten Morgen, Mistress Fraser«, fügte er hinzu, als er mich hinter Jamie erblicktee.
»Wo ist Seine Hoheit?« fragte Jamie ohne Umschweife.
»In der Burg von Stirling«, entgegnete
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