Die Geliehene Zeit
Bett, auf dem Tisch neben ihm ein eindrucksvolles Sortiment von Arzneimitteln. Auch sein Leibarzt, Dr. Menzies, war da, ein kleiner, leicht schielender Mann, der mich mißtrauisch musterte. Der alte Simon vertraute wohl nicht allzusehr auf die Phantasie des jungen Simon und hatte die ganze Szenerie nur deshalb aufgebaut, damit er Charles Stuart den beklagenswerten Zustand Lord Lovats getreulich schildern konnte.
»Ha«, meinte Seine Lordschaft zufrieden. »Wir schicken die goldene und silberne Picknickgarnitur. Das macht was her, ist aber zu frivol, um als politische Unterstützung gewertet zu werden. Außerdem«, fügte er mit praktischem Verstand hinzu, »ist der Löffel verbeult. Das ist genau das Richtige«, sagte er zum Sekretär. »Fahren wir fort: ›Wie Eure Hoheit wissen...‹«
Ich tauschte einen Blick mit Jamie, der mich mit heimlichem Einverständnis anlächelte.
»Ich glaube, du hast ihm gegeben, was er braucht, Sassenach«, hatte er mir gesagt, als wir nach jenem peinlichen Abendessen schlafen gingen.
»Was denn?« fragte ich, »einen Vorwand, die Mägde zu belästigen?«
»Ich bezweifle, daß er dazu einen Vorwand braucht«, sagte Jamie trocken. »Nein, du hast ihm die Möglichkeit gegeben, auf beiden Hochzeiten zu tanzen - wie gewöhnlich. Wenn er eine eindrucksvoll klingende Krankheit hat, die ihn ans Bett fesselt, dann kann ihn keiner dafür tadeln, daß er nicht mit seinen Männern in den Kampf zieht. Wenn er seinen Erben in die Schlacht schickt, werden die Stuarts meinen, Lovat habe sein Versprechen gehalten. Und wenn es schiefgeht, wird der alte Fuchs den Engländern sagen, er habe die Stuarts nicht unterstützen wollen, es sei sein Sohn gewesen, der auf eigene Faust gehandelt hat.«
»Buchstabieren Sie einmal ›Prostatitis‹, Mädel«, wandte sich Lord Lovat an mich, meine Gedanken unterbrechend. »Und schreib es bloß richtig, du Trottel«, wandte er sich an seinen Sekretär. »Seine Hoheit soll es nicht falsch verstehen.«
»P-r-o-s-t-a-t-i-t-i-s«, buchstabierte ich langsam. »Und wie geht es Ihnen heute morgen?« fragte ich und trat näher ans Bett seiner Lordschaft.
»Schon viel besser, danke«, sagte der Alte und grinste mich an. »Wollen Sie sehen, wie ich pisse?«
»Ach danke, im Moment lieber nicht«, erwiderte ich höflich.
Es war ein klarer, eisiger Tag Mitte Dezember, als wir Beauly verließen, um uns Charles Stuart anzuschließen. Allen guten Ratschlägen seiner Generäle, dem schlechten Wetter und dem gesunden Menschenverstand zum Trotz drängte Charles nach England. Doch in Derby setzten sich die Generäle schließlich durch, die Clanführer weigerten sich weiterzumarschieren, und so wandte sich die Hochlandarmee wieder nach Norden. In einem dringlichen Brief hatte Charles Jamie gebeten, sich »unverzüglich« nach Süden aufzumachen und sich mit Seiner Hoheit in Edinburgh zu treffen. Der junge Simon, der in seinem Tartan wie das geborene Clanoberhaupt aussah, ritt an der Spitze einer Kolonne. Die berittenen Männer folgten ihm, der größere Teil marschierte zu Fuß.
Da Jamie und ich Pferde hatten, ritten wir mit Simon an der Spitze der Kolonne. In Comar wollten wir uns dann trennen. Simon sollte mit den Fraser-Männern nach Edinburgh weiterziehen, und Jamie sollte mich nach Lallybroch begleiten, bevor er nach Edinburgh zurückkehrte. Er hatte natürlich nicht die leiseste Absicht zurückzukehren, aber das ging Simon nichts an.
Gegen Mittag kam ich aus dem Unterholz am Wegrand zurück, wo mich Jamie schon ungeduldig erwartete. Die Männer hatten beim Aufbruch heißes Ale zu trinken bekommen, das sie für den Marsch stärken sollte. Und obwohl heißes Ale zum Frühstück ausgezeichnet schmeckte, zeigte es, wie ich eben feststellen mußte, auch eine spürbare Wirkung.
Jamie schnaubte. »Frauen«, sagte er. »Wieso braucht ihr so verdammt viel Zeit für so etwas Einfaches wie pissen? Du bist ja schlimmer als mein Großvater.«
»Nächstesmal kannst du ja mitkommen und zuschauen«,
schlug ich bissig vor. »Vielleicht hast du ja einen hilfreichen Vorschlag.«
Er schnaubte erneut, entgegnete aber nichts und beobachtete die Männer, die an uns vorbeizogen. Er lächelte. Der helle, strahlende Tag hob die Stimmung von uns allen, aber Jamie war an diesem Morgen ganz besonders guter Laune. Kein Wunder, wir waren auf dem Weg nach Hause. Ich wußte, daß er sich nicht der Illusion hingab, alles könnte noch gut werden. Dieser Krieg würde seinen Preis fordern. Aber wenn
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