Die Geliehene Zeit
Gespräch über Leute, die er nicht kannte, und Angelegenheiten, die er nur halb verstand, interessierte ihn nicht. »Suche ihn auf. Um diese Tageszeit ist er wahrscheinlich in der Taverne.«
»Glaubst du, er legt bei Prinz Charles ein Wort für dich ein?« fragte ich Jamie besorgt. Dougal war eine Zeitlang Jamies Pflegevater gewesen, aber die Beziehung hatte ihre Höhen und Tiefen gehabt. Wahrscheinlich würde Dougal die Gunst des Prinzen nicht aufs Spiel setzen wollen, indem er sich für ein Häuflein Feiglinge und Deserteure einsetzte.
Der junge Fuchs, der seinem Vater an Scharfsinn nicht nachstand, zog die dichten schwarzen Brauen hoch.
»MacKenzie ist doch immer noch auf Lallybroch aus, nicht wahr? Und wenn er glaubt, Vater und ich hätten die Absicht, dein Land zurückzufordern, wird er dir gewiß bereitwillig helfen, deine Männer freizubekommen, aye? Gegen uns zu kämpfen würde ihn mehr kosten, als mit dir fertigzuwerden, wenn der Krieg vorüber
ist.« Er nickte; offensichtlich machte es ihm Spaß, den Plan auszuhecken.
»Ich werde ihm eine Abschrift der Liste meines Vaters unter die Nase halten, bevor du mit ihm sprichst. Dann kommst du herein und sagst ihm, du würdest mich zur Hölle schicken, wenn ich Anspruch auf deine Männer erheben sollte, und anschließend reiten wir alle drei nach Stirling.« Er lächelte Jamie verschwörerisch an.
»Ich habe mir schon immer gedacht, daß es einen guten Grund gibt, warum sich Schotte auf Komplotte reimt«, bemerkte ich.
»Was?« Beide Männer sahen mich verblüfft an.
»Nichts für ungut«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich wollte nur sagen: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«
Während Jamie mit seinen beiden Onkeln nach Stirling ritt, um die Angelegenheit mit Prinz Charles zu klären, blieb ich in Edinburgh zurück. Unter den gegebenen Umständen konnte ich nicht in Holyrood bleiben, aber ich fand ein Quartier in einer Gasse über dem Canongate. Es war eine enge, kalte Kammer, aber ich hielt mich nicht oft dort auf.
Die Häftlinge saßen zwar im Tolbooth fest, aber niemand hinderte sie, Besuch zu empfangen. Also gingen Fergus und ich täglich zu ihnen ins Gefängnis, und dank umsichtig verteilter Bestechungsgelder konnte ich den Männern aus Lallybroch Lebensmittel und Medikamente zukommen lassen. Eigentlich hätte ich nicht allein mit den Gefangenen sprechen dürfen, aber auch in diesem Punkt war das System flexibel, wenn man es an den richtigen Stellen schmierte, und so konnte ich ein paarmal mit Ross, dem Schmied, unter vier Augen sprechen.
»Es war meine Schuld, Lady«, erklärte er. »Ich hätte nicht alle unsere Leute miteinander marschieren lassen dürfen, wir hätten uns in Dreier- oder Vierergruppen aufteilen sollen. Aber ich hatte Angst, Männer zu verlieren. Die meisten sind früher keine fünf Meilen aus ihrem Dorf hinausgekommen.«
»Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen«, beruhigte ich ihn. »Es war wohl einfach Pech, daß ihr erwischt worden seid. Keine Sorge, Jamie ist unterwegs nach Stirling zu Prinz Charles. Er holt euch hier raus.«
Müde strich er sich eine Locke aus der Stirn und nickte. Er sah heruntergekommen aus; man erkannte den einst so kräftigen
Handwerker kaum wieder. Dennoch lächelte er und bedankte sich für die Lebensmittel.
»Die können wir gut brauchen, hier bekommen wir nicht viel mehr als Schweinefraß. Was meinen Sie...« Er zögerte. »Meinen Sie, Sie könnten ein paar Decken auftreiben, Herrin? Ich würde nicht darum bitten, aber vier der Männer haben Schüttelfrost, und...«
»Dafür wird gesorgt«, sagte ich.
Als ich das Gefängnis verließ, fragte ich mich jedoch, woher ich Decken nehmen sollte. Die Armee war nach Süden gezogen, um in England einzufallen, doch Edinburgh war immer noch eine besetzte Stadt. Da Soldaten und Lords mit ihrem Gefolge kamen und gingen, waren Güter aller Art teuer und knapp. Decken und warme Kleidung wurden zwar feilgeboten, kosteten aber viel, und ich hatte noch genau zehn Shilling in meiner Börse.,
In Edinburgh gab es einen Bankier, einen Mr. Waterford, der früher Geldgeschäfte für Lallybroch erledigt hatte, doch Jamie hatte vor einigen Monaten sein gesamtes Geld von der Bank geholt, da er befürchtete, es könnte von der Krone beschlagnahmt werden. Er hatte das Geld in Gold umgewechselt, einen Teil davon zur sicheren Verwahrung an Jared in Frankreich geschickt und den Rest im Gutshaus versteckt. An diese Mittel konnte ich im Augenblick nicht heran.
Ich
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