Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
menschliche Regung in seinem schönen Gesicht.
    »Danke«, sagte ich zu Alexander Randall und wartete, bis Jonathan die Treppe hinuntergestiegen war, bevor ich selbst ging. »Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
    Er nickte. Die dunklen Schatten unter seinen Augen zeugten von einer schlechten Nacht.
    »Gern geschehen«, sagte er schlicht. »Ich nehme an, Sie lassen etwas Medizin für mich da? Wahrscheinlich wird es eine Weile dauern, bis wir uns wiedersehen.«
    Ich zögerte, verblüfft über seine Annahme, ich würde selbst nach Stirling gehen. Nichts wünschte ich mir sehnlicher, aber ich mußte auch an die Männer im Tolbooth-Gefängnis denken.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Aber ja, die Medizin lasse ich Ihnen da.«

    Mit langsamen Schritten kehrte ich zu meinem Quartier zurück. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich mußte Jamie sofort benachrichtigen. Es schien mir am besten, Murtagh zu schicken. Jamie würde mir natürlich glauben, wenn ich ihm schrieb. Aber würde es ihm gelingen, Lord George, den Herzog von Perth und die anderen Befehlshaber zu überzeugen?
    Ich konnte ihm nicht sagen, aus welcher Quelle mein Wissen stammte. Würden die Befehlshaber bereit sein, der schriftlichen, durch nichts belegten Aussage einer Frau zu glauben? Selbst wenn es sich um eine Frau handelte, die angeblich übernatürliche Kräfte besaß? Plötzlich mußte ich an Maisri denken und schauderte. Es ist ein Fluch , hatte sie gesagt. Ja, aber hatte ich eine andere Wahl? Ich habe keine Macht außer der Macht, nicht zu sagen, was ich weiß. Diese Macht hatte ich auch, aber ich wagte nicht, davon Gebrauch zu machen.
    Zu meiner Überraschung stand die Tür zu meiner Kammer offen, und es drangen klirrende, klappernde Geräusche an mein Ohr. Ich hatte die Waffen der Männer unter meinem Bett verstaut, und als unter dem Bett kein Platz mehr war, hatte ich Schwerter und Degen neben der Feuerstelle gestapelt, bis auf dem Fußboden buchstäblich kein freier Fleck mehr war außer dem Winkel, wo Fergus sein Nachtlager aufschlug.
    Von der Treppe aus konnte ich durch die offene Tür eine verblüffende Szene beobachten: Murtagh stand auf dem Bett und überwachte die Verteilung der Waffen an die Männer, die den Raum bis zum Bersten füllten - die Männer von Lallybroch.
    »Madame! Ich drehte mich um und erblickte Fergus, der neben mir stand und mich anstrahlte.
    »Madame! Ist das nicht wunderbar? Der Herr hat die Begnadigung seiner Männer erwirkt. Heute morgen kam ein Bote aus Stirling mit dem Befehl, sie freizulassen, und nun müssen wir alle sofort zu unserem Herrn nach Stirling reiten.«
    Ich umarmte ihn und grinste ebenfalls. »Das ist wunderbar, Fergus.« Einige der Männer bemerkten mich, drehten sich zu mir um, lächelten und zupften die anderen am Ärmel. Freudige Erregung erfüllte das kleine Zimmer. Murtagh, der auf dem Bett hockte wie der Zwergenkönig auf dem Giftpilz, hatte mich nun auch erblickt und schenkte mir ein Lächeln - ein Ausdruck, der seinem Gesicht so fremd war, daß es ihn bis zur Unkenntlichkeit veränderte.

    »Wird Mr. Murtagh die Männer nach Stirling führen?« erkundigte sich Fergus. Bei der Waffenausgabe war ihm ein kurzes Schwert zugeteilt worden, und während er sprach, übte er eifrig, es zu ziehen und wieder in die Scheide zu stecken.
    Ich fing Murtaghs Blick auf und schüttelte den Kopf. Wenn Jenny Cameron die Männer ihres Bruders nach Glenfinnan führen konnte, dann konnte ich auch an der Spitze der Truppe meines Mannes nach Stirling reiten. Sollten Lord George und Seine Hoheit ruhig versuchen, sich über meine Nachricht hinwegzusetzen, wenn ich sie persönlich überbrachte.
    »Nein«, sagte ich. »Ich werde sie führen.«

43
    Falkirk
    Ich konnte die Männer um mich herum in der Dunkelheit spüren. Neben mir ging ein Dudelsackpfeifer. Der Windsack, den er unter dem Arm trug, quietschte, und hinter ihm waren die Umrisse der Bordunröhren sichtbar. Sie bewegten sich im Rhythmus seiner Schritte, so daß es aussah, als trüge er ein kleines, zuckendes Tier.
    Ich kannte ihn; er hieß Labhriunn MacIan. In Stirling begrüßten die Dudelsackpfeifer der Clans reihum den Tag. Gemessenen Schrittes ging der Pfeifer dann im Feldlager auf und ab. Das Klagen der Bordunröhren hallte zwischen den windigen Zelten wider und weckte die Schläfer.
    Auch am Abend kam wieder ein Dudelsackpfeifer heraus und schritt langsam über den Hof. Dann wurde es ruhig im Lager, das Stimmengewirr erstarb, und die Männer

Weitere Kostenlose Bücher