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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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drohte, einschüchterte, bestach oder meinen Charme einsetzte. Ich verpfändete zwei Broschen, die mir Jared zum Abschied geschenkt hatte, und kaufte von dem Erlös Lebensmittel für die Männer aus Lallybroch, damit sie wenigstens so verpflegt wurden wie der Rest der Armee.
    Dank meiner Überredungskünste konnte ich bis in die Kerkerzellen vordringen und die verschiedenen Leiden der Gefangenen behandeln - Skorbut und andere Folgen von Mangelernährung, Schürfwunden, Frostbeulen, Arthritis und Erkrankungen der Atemwege.
    Außerdem suchte ich jene Clanführer und Lords auf, die noch in Edinburgh weilten - also nicht sehr viele -, und die Jamie behilflich sein konnten, falls sein Besuch in Stirling scheiterte. Damit rechnete ich zwar nicht, fand es aber besser, Vorsorge zu treffen.
    Ich nahm mir aber auch die Zeit, Alexander Randall einmal täglich zu besuchen, und zwar morgens, um nichts von seiner
kostbaren Zeit mit Mary in Anspruch zu nehmen. Alex schlief nicht nur wenig, sondern auch schlecht. Folglich war er morgens matt und übermüdet und nicht gerade gesprächig. Dennoch begrüßte er mich stets mit einem freundlichen Lächeln. Ich verabreichte ihm eine leichte Mischung aus Minze und Lavendel mit einigen Tropfen Mohnsaft; nach diesem Trank konnte er in der Regel ein paar Stunden schlafen, so daß er Marys Besuch am Nachmittag erholt entgegensah.
    Außer Mary hatte ich niemals andere Besucher in der Dachstube gesehen. Deshalb war ich überrascht, als ich eines Morgens die Treppe hinaufstieg und hinter der verschlossenen Tür Stimmen hörte.
    Ich klopfte einmal kurz, wie wir es abgesprochen hatten, und trat ein. Am Bett saß Jonathan Randall in seiner Hauptmannsuniform. Als er mich sah, erhob er sich und verbeugte sich förmlich. Seine Augen waren kalt.
    »Madam«, sagte er.
    »Hauptmann.« Verlegen standen wir mitten im Zimmer und starrten einander an, beide unwillig, das Gespräch fortzusetzen.
    »Johnny«, ließ sich Alex vom Bett her vernehmen. Seine heisere Stimme klang zwar einschmeichelnd, ließ aber keinen Widerspruch zu, und sein Bruder zuckte gereizt die Achseln, als er sie hörte.
    »Mein Bruder hat mich herbestellt, um Ihnen etwas mitzuteilen«, erklärte Randall mürrisch. An diesem Morgen trug er keine Perücke, und mit den dunklen Haaren sah er seinem Bruder verblüffend ähnlich. Der blasse, geschwächte Alex wirkte wie Jonathans Geist.
    »Sie und Mr. Fraser waren gut zu meiner Mary.« Alex drehte sich auf die Seite, um mich anzusehen. »Und auch zu mir. Ich... wußte von der Abmachung zwischen Ihnen und meinem Bruder«, seine Wangen röteten sich ein wenig, »aber ich weiß auch, was Sie und Ihr Gemahl für Mary getan haben... in Paris.« Er leckte sich die trockenen Lippen. »Ich glaube, Sie sollten sich anhören, welche Neuigkeiten Johnny gestern von der Burg mitgebracht hat.«
    Jack Randall musterte mich geringschätzig, aber er stand zu seinem Wort.
    »Hawley hat Copes Stellung eingenommen, wie ich es vorhergesagt hatte«, erklärte er. »Hawley ist nicht gerade der geborene Befehlshaber, abgesehen davon, daß er blindes Vertrauen in die
Männer setzt, die ihm unterstehen. Ob ihm das besser zustatten kommt als Copes Kanonen...« Er zuckte ungeduldig die Achseln.
    »Aber wie dem auch sei, General Hawley hat den Befehl erhalten, nach Norden zu marschieren, um die Burg von Stirling zurückzuerobern.«
    »Wirklich?« fragte ich. »Wissen Sie, wie viele Soldaten er hat?«
    Randall nickte. »Im Augenblick befehligt er achttausend Mann, dreizehnhundert davon beritten. Außerdem rechnet er täglich mit der Ankunft von sechstausend Hessen.« Er runzelte die Stirn und dachte nach. »Soviel ich gehört habe, will das Oberhaupt des Campbell-Clans tausend Mann zur Verstärkung von Hawleys Truppen entsenden, aber ich weiß nicht, ob diese Information verläßlich ist. Was die Schotten tatsächlich tun werden, läßt sich nie vorhersehen.«
    »Verstehe.« Die Lage war ernst. Die Hochlandarmee verfügte zur Zeit über sechs- bis siebentausend Mann. Mit Hawley allein, ohne die erwartete Verstärkung, könnte sie es vielleicht noch aufnehmen. Abzuwarten, bis die Hessen und die Campbells eintrafen, wäre Wahnsinn gewesen; außerdem kämpften die Hochlandschotten als Angreifer bedeutend besser. Diese Nachricht mußte Lord George Murray sofort überbracht werden.
    Jack Randalls Stimme riß mich aus meinen Gedanken.
    »Guten Tag, Madam.« Als er sich mit einer Verbeugung verabschiedete, zeigte sich keine

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