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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Wieder näherten sich Schritte, und dann ertönte eine befehlsgewohnte Stimme.
    »Ihr habt noch eine Minute Zeit, um herauszukommen und euch zu ergeben«, sagte er, »dann zünden wir das Dach an.«
    Entsetzt sah ich nach oben. Die Mauern der Kirche waren aus Stein, aber das Reet würde innerhalb kürzester Zeit in Flammen aufgehen, auch wenn es von Regen und Schnee durchweicht war, und sobald das Feuer richtig in Gang kam, würden ein Flammenregen und qualmende Dachbalken auf uns niedergehen. Ich erinnerte
mich nur zu gut, wie rasch das Reet in der vergangenen Nacht abgebrannt war; als schauerliches Andenken lagen die verkohlten Überreste noch neben Ruperts verhülltem Leichnam auf dem Boden.
    »Nein!« brüllte ich. »Verdammte Hunde! Dies ist eine Kirche! Habt ihr noch nie von Kirchenasyl gehört?«
    »Wer ist das?« fragte die Stimme schroff. »Habt ihr eine Engländerin bei euch?«
    »Ja!« rief Dougal und sprang zur Tür. Er drückte sie einen Spaltweit auf und bellte die englischen Soldaten an. »ja! Wir halten eine englische Dame gefangen! Setzt das Reet in Brand, und sie stirbt mit uns!«
    Am Fuße des Hügels wurden Stimmen laut, und die Männer in der Kirche gerieten in Bewegung. Jamie wirbelte herum und blickte Dougal finster an. »Was...!«
    »Es ist die einzige Möglichkeit!« zischte Dougal. »Gib sie ihnen im Tausch gegen unsere Freiheit. Sie werden ihr nichts antun, solange sie glauben, sie sei unsere Geisel. Später holen wir sie zurück!«
    Ich trat aus meinem Versteck hervor, ging zu Jamie und packte ihn am Ärmel.
    »Tu es!« forderte ich. »Dougal hat recht, wir haben keine Wahl!«
    Hilflos sah er mich an. Angst und Wut standen ihm ins Gesicht geschrieben. Aber darunter glaubte ich eine Spur von Heiterkeit zu erkennen, denn schließlich entbehrte die Situation nicht einer gewissen Ironie.
    »Daß ich eine sassenach, eine Engländerin, bin, läßt sich nun mal nicht leugnen«, sagte ich.
    Mit wehmütigem Lächeln streichelte er mein Gesicht.
    »Aye, mo duinne . Aber du bist meine sassenach.« Er wandte sich an Dougal und straffte die Schultern. Dann holte er tief Luft und nickte.
    »Gut. Sag ihnen, wir haben sie«, er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und überlegte rasch, »gestern abend auf der Straße nach Falkirk gefangengenommen.«
    Dougal nickte, besann sich nicht lange und schlüpfte zur Kirchentür hinaus, wobei er zum Zeichen seiner friedlichen Absichten ein weißes Taschentuch schwenkte.

    Stirnrunzelnd sah mich Jamie an, dann warf er einen Blick auf die Tür, hinter der immer noch englische Stimmen zu hören waren, obwohl wir die Worte nicht verstanden.
    »Ich weiß nicht, was du ihnen sagen sollst, Claire. Vielleicht ist es besser, so zu tun, als stündest du unter Schock und könntest über deine Erlebnisse nicht sprechen. Jedenfalls gescheiter, als ihnen einen Bären aufzubinden. Denn wenn sie herausbekommen, wer du bist...« Jäh hielt er inne und strich sich über die Stirn.
    Wenn sie herausbekamen, wer ich war, würden sie mich nach London bringen, in den Tower - und die Hinrichtung würde wahrscheinlich nicht lange auf sich warten lassen. Doch die Flugschriften, die über die Stuart-Hexe herzogen, erwähnten mit keinem Wort, daß sie Engländerin war.
    »Keine Sorge.« Ich merkte selbst, wie dumm diese Bemerkung klang, doch mir fiel nichts Besseres ein. Als ich die Hand auf Jamies Arm legte, spürte ich, wie rasch sein Puls ging. »Du holst mich zurück, bevor sie auch nur das Geringste merken. Glaubst du, sie bringen mich nach Callendar House?«
    Er nickte halbwegs gefaßt. »Aye, das glaube ich. Wenn es geht, richte es so ein, daß du kurz nach Einbruch der Dunkelheit allein an einem Fenster sitzt. Dann hole ich dich.«
    Für mehr blieb uns keine Zeit. Dougal kehrte zurück und schloß vorsichtig die Tür.
    »Topp«, sagte er, von mir zu Jamie blickend. »Wir geben ihnen die Frau, und dafür dürfen wir unserer Wege ziehen. Keine Verfolgung. Wir behalten das Pferd. Das brauchen wir für Rupert«, sagte er entschuldigend zu mir.
    »Schon gut.« Ich blickte auf den kleinen, schwarzen Kreis in der Tür, den die Kugel geschlagen hatte und der nicht größer war als das Loch in Ruperts Brust. Mein Mund war trocken, und ich schluckte schwer. Ich war ein Kuckucksei, das nun ins falsche Nest gelegt werden sollte. Zögernd verharrten wir drei an der Tür.
    »Dann gehe ich jetzt wohl besser.« Ich versuchte das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. »Sie werden sich fragen, was

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