Die Geliehene Zeit
bemerkte Jamie trocken. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ihr alle euch unauffällig aus dem Staub macht, und wenn ich noch soviel Wirbel mache.«
Wie um Jamies Worte zu bekräftigen, stöhnte Rupert laut auf. Auf der Stelle hockten sich Dougal und ich neben ihn, und auch Jamie sank auf die Knie.
Rupert war noch nicht tot, aber besser ging es ihm auch nicht. Seine Hände fühlten sich eiskalt an, und sein Atem ging keuchend und pfeifend.
»Dougal«, flüsterte er.
»Ich bin da, Rupert. Sei still, Freund, du bist bald wieder gesund.« Der Clanführer der MacKenzies nahm rasch sein Plaid ab und faltete daraus ein Kissen, das er Rupert unter Kopf und Schultern schob. So gestützt, tat er sich mit dem Atmen leichter, aber unter seinem Bart ertastete ich frische Blutflecken. Etwas Kraft war ihm noch geblieben, denn er streckte die Hand aus und griff nach Dougals Arm.
»Wenn... sie uns sowieso finden... dann gib mir Licht«, sagte er keuchend. »Ich will dein Gesicht noch einmal sehen, Dougal.«
Ich spürte, wie Dougal vor Schmerz zusammenzuckte, als er den Sinn dieser Worte begriff. Leise erteilte er einen Befehl, und nach einigem Hin und Her schnitt jemand eine Handvoll Reet ab, das man zu einer Fackel drehte. Dann wurden mit Feuerstein Funken geschlagen, bis sie Feuer fing. Sie brannte schnell herunter, spendete mir aber genug Licht, um Rupert zu untersuchen. Währenddessen schlugen die Männer aus den Dachbalken einen langen Span heraus, der eine dauerhaftere Fackel abgeben sollte.
Rupert war käseweiß, sein Haar schweißnaß, und an seiner Unterlippe trockneten Blutreste. Auf dem schwarzen Bart zeigten sich dunkle Flecken, aber er lächelte, als ich mich über ihn beugte, um noch einmal seinen Puls zu fühlen. Er ging leichter und sehr schnell, und manchmal setzte er kurz aus. Ich strich Rupert das Haar aus dem Gesicht, und er streichelte dankbar meine Hand.
Dougal legte seine Hand um meinen Ellbogen. Ich setzte mich auf die Fersen und wandte mich zu ihm um. So war ich ihm schon einmal gegenübergesessen, über einem Mann, den ein Eber tödlich verwundet hatte. Damals hatte er mich gefragt: »Wird er überleben?« Ich sah, wie ein Schatten der Erinnerung über Dougals Gesicht huschte. Dieselbe Frage las ich jetzt in seinen Augen, aber diesmal stand ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Rupert war sein bester Freund, sein Verwandter, der zu seiner Rechten ritt und focht, wie Ian es für Jamie tat.
Diesmal brauchte ich die Antwort nicht selbst zu geben; Rupert tat es an meiner Statt.
»Dougal«, sagte er und lächelte, als sich der Freund besorgt über ihn beugte. Er schloß die Augen und atmete so tief ein, wie er konnte, um noch einmal Kraft zu schöpfen.
»Dougal«, sagte er wieder und schlug die Augen auf. »Trauere nicht um mich.«
Dougals Lippen zuckten im Feuerschein. Ich sah, daß es ihm auf der Zunge lag, den Tod zu leugnen.
»Ich bin dein Anführer, Mann«, sagte er schließlich mit einem zittrigen Lächeln. »Du erteilst mir keine Befehle. Ich werde um dich trauern, wie es mir gefällt.« Er packte Ruperts Hand, die auf seiner Brust lag, und hielt sie fest.
Rupert gab ein leises, pfeifendes Kichern von sich, im nächsten Augenblick hustete er und spuckte einen Schwall Blut.
»So traure denn um mich, wenn es dir gefällt, Dougal«, sagte er dann. »Und es stimmt mich froh. Aber trauern kannst du erst, wenn ich tot bin, nicht wahr? Ich will lieber durch deine Hand sterben, mo caraidh, als durch die Hand eines Fremden.«
Dougal zuckte zusammen. Jamie und ich tauschten hinter seinem Rücken einen entsetzten Blick.
»Rupert...«, begann Dougal hilflos, aber Rupert fiel ihm ins Wort, umklammerte seine Hand und schüttelte sie sanft.
»Du bist mein Anführer, Dougal, und es ist deine Pflicht«, raunte er. »Komm schon. Tu es. Das Sterben tut mir weh, Freund, ich will es hinter mir haben.« Seine Augen wanderten ruhelos umher und fielen schließlich auf mich.
»Willst du mir die Hand halten, wenn ich gehe, Mädel?« fragte er. »Ich würde es mir wünschen.«
Mehr konnte ich für ihn nicht tun. Langsam, wie in Trance, nahm ich die breite, schwarzbehaarte Hand und drückte sie, als könnte ich das erkaltende Fleisch mit meiner Wärme beleben.
Ächzend drehte sich Rupert zur Seite und sah Jamie an, der neben ihm saß.
»Sie hätte mich heiraten sollen, mein Junge, als sie die Wahl hatte«, keuchte er. »Du bist zwar ein Kümmerling, aber tu dein Bestes.« Er zwinkerte ihm zu. »Nimm sie
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