Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
wir so lange machen.«
    Jamie schloß kurz die Augen, nickte und trat auf mich zu.
    »Du solltest lieber ohnmächtig werden, Sassenach«, sagte er. »Dann ist es leichter.« Er beugte sich über mich, nahm mich in die Arme und trug mich durch die Tür, die Dougal ihm aufhielt.

    Mein Ohr lag an seinem pochenden Herzen, und ich spürte, wie seine Arme zitterten. Nach der stickigen Kirche, in der es nach Schweiß, Blut, Schwarzpulver und Pferdemist stank, raubte mir die kühle, frische Morgenluft fast den Atem. Zitternd schmiegte ich mich an Jamie. Seine Hände schlossen sich noch fester um meine Knie und Schultern, fest wie ein Versprechen. Niemals würde er mich gehen lassen.
    »Mein Gott«, sagte er leise, und dann waren wir bei ihnen. Scharfe Fragen, undeutliche Antworten, seine Hände, die sich widerstrebend von mir lösten, als er mich auf den Boden legte, und dann seine Schritte, die sich durchs nasse Gras entfernten. Ich war allein unter Fremden.

44
    Ein Kapitel, in dem allerhand schiefgeht
    Ich kauerte mich näher ans Feuer und streckte meine Hände aus, um sie aufzutauen. Sie waren schmutzig, weil ich den ganzen Tag die Zügel gehalten hatte, und ich fragte mich, ob es der Mühe wert war, zum Fluß zu gehen und sie zu waschen. Manchmal überstieg es einfach meine Kräfte, moderne Hygienevorstellungen beizubehalten. Es war verdammt noch mal kein Wunder, wenn die Menschen so oft krank wurden und früh starben, dachte ich mißmutig. Häufig erlagen sie nur ihrer Unwissenheit und schlichtem Dreck.
    Die Vorstellung, im Schmutz zu verenden, brachte mich trotz meiner Müdigkeit auf die Beine. Das Ufer des kleinen Flusses, der am Lager vorbeifloß, war sumpfig, und meine Schuhe sanken tief in den Morast ein. Nachdem meine Hände sauber und meine Füße naß waren, schleppte ich mich zurück zum Feuer, wo Korporal Rowbotham mit einer Schale, die angeblich Eintopf enthielt, auf mich wartete.
    »Mit den besten Empfehlungen vom Hauptmann, Madam«, sagte er mit einer ehrerbietigen Verneigung, als er mir das Schüsselchen reichte, »und ich soll Ihnen auch sagen, daß wir morgen in Tavistock sind. Da gibt es ein Gasthaus.« Er war in den mittleren Jahren und hatte ein rundes, freundliches Gesicht. Zögernd sah er mich an, dann fügte er hinzu: »Der Hauptmann entschuldigt sich für das schlechte Quartier, Madam, aber für heute nacht haben wir Ihnen ein Zelt aufgestellt. Nichts Besonderes, aber vielleicht hält’s wenigstens den Regen ab.«
    »Danken Sie dem Hauptmann in meinem Namen«, erwiderte ich, so freundlich ich konnte. »Und auch Ihnen danke ich«, fügte ich etwas herzlicher hinzu. Mir war vollkommen klar, daß mich Hauptmann Mainwaring als lästige Bürde betrachtete und keinen Gedanken daran verschwendete, wie ich die Nacht verbrachte. Das
Zelt - ein Stück Leinwand, sorgfältig über einen Ast gespannt und an beiden Seiten mit Pflöcken befestigt - war zweifellos das alleinige Werk von Korporal Rowbotham.
    Der Unteroffizier entfernte sich. Ich blieb allein zurück und verzehrte bedächtig angebrannte Kartoffeln und sehniges Rindfleisch. Am Fluß hatte ich ein Büschel späten Ackersenf gefunden und hatte eine Handvoll davon mitgenommen. Außerdem hatte ich noch ein paar Wacholderbeeren, die ich bei einer früheren Rast gepflückt hatte. Die Senfblätter waren alt und ausgesprochen bitter, aber zwischen zwei Bissen Kartoffeln brachte ich sie hinunter. Zum Abschluß würgte ich die Wacholderbeeren hastig hinunter. Ihr strenges Aroma trieb mir das Wasser in die Augen, aber wenigstens übertönte es den Geschmack nach Fett und Angebranntem, und zusammen mit den Senfblättern boten sie vielleicht hinreichend Schutz vor Skorbut.
    In meinem Medizinkasten verwahrte ich einen reichen Vorrat an Hagebutten, getrockneten Äpfeln und Dillsamen. All das hatte ich sorgfältig gesammelt, um während der langen Wintermonate Mangelkrankheiten vorzubeugen. Ich hoffte nur, daß Jamie auch davon aß.
    Ich legte meinen Kopf auf die Knie. Obwohl ich nicht glaubte, daß mich jemand ansah, wollte ich mein Gesicht verbergen, wenn ich an Jamie dachte.
    Am Falkirk Hill hatte ich mich so lange wie möglich ohnmächtig gestellt. Aber schon bald wurde ich von einem britischen Dragoner aufgeschreckt, der versuchte, mir Weinbrand aus seinem Flachmann einzuflößen. Da meine »Retter« nicht recht wußten, was sie mit mir anfangen sollten, hatten sie mich nach Callendar House gebracht und General Hawleys Stab übergeben.
    So weit war alles

Weitere Kostenlose Bücher