Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
nach Plan verlaufen. Doch innerhalb der nächsten Stunde war einiges schiefgegangen. Während ich in einem Vorzimmer saß und den Gesprächen in meiner Umgebung lauschte, wurde mir klar, daß die vermeintlich große Schlacht am Vorabend nur ein Scharmützel zwischen den MacKenzies und einem Trupp englischer Soldaten gewesen war, die sich Hawleys Armee anschließen wollten. Besagte Armee sammelte sich soeben, um sich dem erwarteten Angriff der Hochländer am Falkirk Hill zu stellen. In Wahrheit hatte die Schlacht noch gar nicht stattgefunden!
    General Hawley hatte mit den Vorbereitungen alle Hände voll zu
tun, und da offensichtlich niemand eine Ahnung hatte, was mit mir geschehen sollte, wurde ich in die Obhut eines jungen Gefreiten gegeben und zusammen mit einem Brief, der die näheren Umstände meiner Rettung schilderte, ins zeitweilige Hauptquartier eines gewissen Oberst Campbell nach Kerse geschickt. Leider war der Soldat, ein stämmiger junger Mann namens Dubbs, geradezu übereifrig darauf bedacht, seine Pflicht zu erfüllen, und all meine Versuche, ihm unterwegs zu entwischen, waren fehlgeschlagen.
    Als wir in Kerse ankamen, mußten wir feststellen, daß man Oberst Campbell nach Livingston abberufen hatte.
    »Allem Anschein nach«, hatte ich meinem Wächter einreden wollen, »hat Oberst Campbell weder Zeit noch Lust, mit mir zu sprechen. Ich könnte ihm ohnehin nichts sagen. Warum darf ich mich nicht einfach hier in der Stadt einmieten, bis ich Vorkehrungen getroffen habe, meine Reise nach Edinburgh fortzusetzen?« Da mir nichts Besseres eingefallen war, hatte ich den Engländern dieselbe Geschichte erzählt, die ich vor zwei Jahren bereits Colum MacKenzie aufgetischt hatte: Ich sei eine verwitwete Dame aus Oxford und auf dem Weg zu Verwandten in Schottland, überfallen und von schottischen Straßenräubern entführt worden.
    Der Gefreite Dubbs schüttelte den Kopf und errötete eigensinnig. Er konnte nicht älter als zwanzig sein und wirkte nicht besonders aufgeweckt, aber wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte ihn nichts davon abbringen.
    »Das kann ich nicht zulassen, Mrs. Beauchamp«, sagte er - ich hatte meinen Mädchennamen angegeben -, »Hauptmann Bledsoe läßt mich vierteilen, wenn ich Sie nicht unversehrt beim Oberst abliefere.«
    Also ging es, auf dem Rücken der beiden armseligsten Klepper, die ich je gesehen hatte, weiter nach Livingston. Endlich wurde ich von meinem Begleiter erlöst, was meine Lage leider auch nicht verbesserte. Statt dessen saß ich im oberen Stockwerk eines Hauses in Livingston und erzählte meine Geschichte einem gewissen Oberst Gordon MacLeish Campbell. Er stammte aus dem schottischen Tiefland und befehligte eins der Regimenter des Kurfürsten von Hannover.
    »Aye, ich verstehe«, sagte er in einem Ton, der verriet, daß er rein gar nichts verstand. Er war klein, hatte ein Fuchsgesicht und schütteres rotes Haar, das streng aus der Stirn gekämmt war. Mit schmalen
Augen betrachtete er den zerknitterten Brief, der auf seinem Schreibtisch lag.
    »Hier heißt es«, sagte er und setzte sich eine Lesebrille auf die Nase, um das Papier näher in Augenschein zu nehmen, »daß einer Ihrer Entführer dem Fraser-Clan angehörte, ein großer Mann mit roten Haaren. Ist das richtig?«
    »Ja.« Ich fragte mich, worauf er hinauswollte.
    Er neigte den Kopf, so daß die Brille etwas tiefer rutschte, und fixierte mich mit stechendem Blick.
    »Die Männer, die Sie bei Falkirk gerettet haben, glauben, daß es sich bei Ihrem Entführer um niemand anders handelt als um den roten Jamie, den berüchtigten Hochland-Clanführer. Nun bin ich gewahr, daß Sie während Ihrer Gefangenschaft... große Not gelitten haben«, er verzog den Mund, aber es war kein Lächeln, »so daß Sie vielleicht nicht in der Verfassung waren, genau zu beobachten, was vor sich ging. Aber vielleicht ist Ihnen aufgefallen, ob die anderen Männer den Betreffenden mit diesem Namen angesprochen haben?«
    »Das haben sie. Sie nannten ihn Jamie.« Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es schaden würde, ihm das zu erzählen. Aus den Flugschriften, die ich gesehen hatte, ging klar hervor, daß Jamie ein Anhänger der Stuarts war. Jamies Teilnahme an der Schlacht von Falkirk war für die Engländer vielleicht interessant, dürfte ihn aber kaum noch stärker belasten.
    »Sie können mich nicht öfter als einmal aufhängen«, pflegte er zu sagen. Einmal war mehr als genug. Ich blickte zum Fenster. Vor einer halben

Weitere Kostenlose Bücher