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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schon nach einer Stunde kehrte er zurück und befahl mir, meinen Umhang zu holen.
    »Warum?« fragte ich überrascht. »Wohin gehen wir?«
    Er musterte mich gleichgültig und sagte: »Nach Bellhurst Manor.«
    »Gut«, erwiderte ich. Der Name klang ein wenig beeindruckender als mein jetziger Aufenthaltsort, der nicht mehr zu bieten hatte als den intensiven Duft nach Hopfen, einige Soldaten, die auf dem Boden saßen und würfelten, und einen von Flöhen befallenen Köter, der am Feuer schlief.
    Ohne Rücksicht auf die landschaftliche Schönheit kehrte das Herrenhaus den offenen Wiesen den Rücken zu und blickte trotzig landeinwärts auf eine öde Felslandschaft. Anders als die anmutig geschwungenen Zufahrten zu französischen Landgütern war die Auffahrt hier gerade, kurz und schmucklos. Den Eingang zierten
zwei schlichte Steinsäulen, auf denen das Wappen des Besitzers prangte. Als ich daran vorüberritt, versuchte ich, das Bild einzuordnen. Eine liegende Katze - vielleicht ein Panther? - mit einer Lilie zwischen den Pfoten. Das Wappen kam mir bekannt vor. Aber wem gehörte es?
    Im langen Gras beim Tor regte sich etwas, und als sich eine zerlumpte Gestalt in den Schatten zurückzog, um sich vor den Pferdehufen in Sicherheit zu bringen, erspähte ich hellblaue Augen. Selbst der Bettler kam mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht hatte ich schon Halluzinationen und klammerte mich an jeden Eindruck, der nichts mit englischen Soldaten zu tun hatte?
    Die Eskorte blieb auf dem Vorplatz und machte sich nicht einmal die Mühe abzusitzen, als ich mit Hauptmann Mainwaring die Stufen emporstieg. Mir war schleierhaft, was mich nun erwartete.
    »Mrs. Beauchamp?« Der Butler sah aus, als rechnete er mit dem Schlimmsten - zweifellos zurecht.
    »Ja«, erwiderte ich. »Wem gehört dieses Haus?«
    Doch noch während ich das fragte, warf ich einen Blick ins Dunkel der Halle hinter ihm und sah ein Gesicht, aus dem mich große Rehaugen verwundert anstarrten.
    Es war Mary Hawkins.
     
    Mary und ich öffneten gleichzeitig den Mund, nur daß ich schrie, so laut ich konnte. Verblüfft trat der Butler einen Schritt zurück, stolperte über ein kleines Sofa und fiel um wie ein Kegel. Dann hörte ich, wie die Soldaten draußen aufgeschrecktvom Pferd sprangen und die Treppe heraufeilten.
    Während ich meine Röcke raffte, kreischte ich: »Eine Maus! Eine Maus!« und floh, schrille Schreie ausstoßend, in Richtung Besuchszimmer.
    Angesteckt von meiner Hysterie, schrie auch Mary und hielt mich an der Taille fest, als ich ihr in die Arme lief. Ich zog sie hinter mir her in den hintersten Winkel des Besuchszimmer und nahm sie an den Schultern.
    »Sag niemandem, wer ich bin«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Niemandem! Mein Leben hängt davon ab!« Erst fand ich, das klinge zu melodramatisch, doch während ich die Worte aussprach, dämmerte mir, daß ich vielleicht die reine Wahrheit sagte. Mit dem roten Jamie Fraser verheiratet zu sein war eine heikle Angelegenheit.

    Mary fand nur Zeit, benommen zu nicken, bevor sich die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete und ein Mann hereinkam.
    »Was ist das für ein elender Lärmn, Mary?« fragte er. Er war rundlich, wirkte zufrieden und besaß das energische Kinn und den selbstbewußten Mund eines Menschen, der sich in der Regel durchsetzt.
    »N-nichts, Papa«, sagte Mary, vor Nervosität stotternd. »Nur eine M-M-Maus.«
    Der Baronet schloß die Augen und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Als er sich zumindest äußerlich gefaßt hatte, sah er seine Tochter an.
    »Sag es noch einmal, Kind«, befahl er. »Aber richtig. Gestammel und Gemurmel dulde ich nicht. Atme tief ein und sammle dich. Also los, noch einmal.«
    Mary gehorchte und atmete ein, bis sich ihr Mieder über ihrer Brust spannte. Ihre Finger umklammerten eine Falte ihres Seidenbrokatkleids, als suchte sie Halt.
    »Es w-war eine Maus, Papa. Mrs. Fr... äh, diese Dame wurde von einer Maus erschreckt.«
    Dieser Versuch schien ihn halbwegs zufriedenzustellen. Der Baronet trat auf mich zu und blickte mich neugierig an.
    »Oh? Und mit wem habe ich das Vergnügen, Madam?«
    Hauptmann Mainwaring, der die geheimnisvolle Maus vergeblich gesucht hatte, erschien nun verspätet an meiner Seite, stellte mich vor und überreichte einen Begleitbrief von Oberst MacLeish.
    »Hm. Offenbar sind Sie, zumindest vorübergehend, ein Gast Seiner Hoheit.« Er übergab den Brief dem wartenden Butler und nahm dafür seinen Hut in Empfang.
    »Ich bedaure, daß unsere

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