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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Jamies
Samen. Ich hatte das Gefühl, als würde ich die Bergkuppe niemals erreichen, als müßte ich mich für den Rest meines Lebens durch dieses Dickicht kämpfen.
    Plötzlich knackte es hinter mir im Gebüsch. Also hatte mich doch jemand aus der Kate fliehen sehen. Ich wischte die Tränen fort, und da der Hang jetzt steiler wurde, kroch ich auf allen vieren voran, so schnell ich konnte. Ich hatte den Felsvorsprung aus Granit erreicht, an den ich mich noch erinnerte. Dann sah ich auch das Gestrüpp, das aus den Felsspalten wuchs, und das Geröll.
    Am äußeren Rand des Steinkreises blieb ich stehen und blickte nach unten. Verzweifelt versuchte ich zu erkennen, was dort geschah. Wie viele Soldaten waren zur Kate gekommen? Hatte Jamie sich retten und zu seinem Pferd durchschlagen können, das weiter unten angebunden war; ohne Reittier würde er nicht mehr rechtzeitig am Moor eintreffen.
    Plötzlich wurden weiter unten die Zweige geteilt, und eine Gestalt in Rot brach aus dem Unterholz. Ein englischer Soldat. Keuchend überquerte ich die Grasnarbe im Steinkreis und zwängte mich durch den gespaltenen Stein.

SIEBTER TEIL
    Im nachhinein

47
    Lose Fäden
    »Natürlich hatte er recht. Der verdammte Kerl hatte fast immer recht.« Claire klang fast wütend, als sie das sagte. Mit einem kläglichen Lächeln blickte sie Brianna, die mit ausdruckslosem Gesicht auf dem Kaminvorleger saß, an. Außer einer Haarsträhne, die sich in der Hitze des Feuers bewegte, zeigte sie keine Regung.
    »Wieder eine Risikoschwangerschaft und dann eine schwere Geburt. Dort hätten wir beide wahrscheinlich nicht überlebt.« Claire sprach nur ihre Tochter an, als wären sie allein im Raum, und Roger, der sich nur langsam vom Zauber der Vergangenheit befreite, kam sich wie ein Eindringling vor.
    »Ich will dir die ganze Wahrheit sagen. Ich konnte es nicht ertragen, ihn zu verlassen«, sagte Claire leise. »Auch wenn es um deinetwillen geschah... vor deiner Geburt habe ich dich manchmal gehaßt. Er hat mich dazu gezwungen, um dich zu retten. Mir hätte es nichts ausgemacht, zu sterben - mit ihm. Aber so mußte ich ohne ihn weiterleben - und er hatte recht, mein Teil war der schwerere. Ich habe mich seinem Wunsch gebeugt, weil ich ihn liebte. Und du und ich, wir sind am Leben geblieben, weil er dich geliebt hat.«
    Brianna starrte ihre Mutter wie gebannt an. Nur ihre Lippen bewegten sich, als müßte sie das Reden erst wieder lernen.
    »Wie lange hast du... mich gehaßt?«
    Claire begegnete dem unschuldigen, zugleich aber unbarmherzigen Blick ihrer Tochter.
    »Bis zu deiner Geburt. Bis ich dich in den Armen hielt und stillte und du mit den Augen deines Vaters zu mir aufgesehen hast.«
    Brianna keuchte, doch Claire sprach weiter. Ihre Stimme wurde weich, als sie ihre Tochter ansah.
    »Aber mit der Zeit wurdest du zu einem eigenständigen Wesen, warst weder Teil von Jamie noch von mir. Und da begann ich, dich
um deinetwillen zu lieben, und nicht nur wegen des Mannes, der dich gezeugt hat.«
    Jäh fuhr Brianna in die Höhe. Ihr Haar sträubte sich wie eine Löwenmähne, und ihre blauen Augen strahlten ebenso gleißend wie die Flammen in ihrem Rücken.
    »Frank Randall war mein Vater!« rief sie. »Das weiß ich genau!« Die Hände zu Fäusten geballt, starrte sie ihre Mutter an. Ihre Stimme zitterte vor Wut.
    »Ich weiß nicht, warum du mir all das antust! Vielleicht hast du mich wirklich gehaßt. Vielleicht tust du es immer noch.« Ungebetene Tränen kullerten ihr über die Wangen, und zornig wischte sie sie mit dem Handrücken fort.
    »Daddy... Daddy hat mich geliebt. Wenn ich nicht sein Kind gewesen wäre, hätte er das nicht getan. Warum willst du mir einreden, er wäre nicht mein Vater? Warst du eifersüchtig auf mich? Hat es dich gestört, daß er mich so gern mochte? Dich hat er nicht geliebt, das weiß ich genau!« Ihre blauen Katzenaugen waren schmal geworden und funkelten wütend aus dem wachsbleichen Gesicht hervor.
    Roger hätte sich am liebsten hinter der Tür versteckt, bevor sie sich seiner Gegenwart bewußt wurde und ihren übermächtigen Zorn auf ihn richtete. In sein Unbehagen mischte sich ein wachsendes Gefühl von Ehrfurcht. Dieses Mädchen, das vor dem Kamin stand und voller Wut ihren vermeintlichen Vater verteidigte, war eine Ausgeburt der wilden, starken Hochlandkrieger, die einst wie kreischende Todesfeen über ihre Feinde hergefallen waren. Mit der langen geraden Nase, die vom seitlich einfallenden Licht betont wurde, und den

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