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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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glitzernden Katzenaugen war sie ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten - nicht aber dem dunklen, stillen Gelehrten, dessen Foto auf dem Buchumschlag prangte.
    Claire öffnete den Mund, schloß ihn jedoch gleich wieder. Fasziniert starrte sie ihre Tochter an. Die geballte Spannung des Körpers, der geschwungene Bogen der breiten, flachen Wangenknochen, das alles mußte sie viele Male zuvor gesehen haben - doch nicht an Brianna.
    Mit einer Geschwindigkeit, die Claire und Roger auffahren ließ, wirbelte Brianna herum, griff nach den vergilbten Zeitungsausschnitten auf dem Tisch und warf sie in die Flammen. Dann nahm sie den Schürhaken und stocherte wild in der Glut herum. Es störte
sie nicht, daß sie einen Funkenregen aufwirbelte, der zischend vor ihren Füßen verglomm.
    Dann kehrte sie dem zu schwarzer Asche verkohlten Papier den Rücken zu und stampfte mit dem Fuß auf.
    »Du Miststück!« fuhr sie ihre Mutter an. »Du hast mich also gehaßt? Nun gut, ich hasse dich auch.«
    Als sie den Schürhaken hochschwang, spannte Roger instinktiv alle Muskeln an, um ihr in den Arm zu fallen. Doch Brianna wandte sich ab und schleuderte ihre Waffe durch das große Fenster. Gerade eben hatte die Scheibe noch das Spiegelbild einer flammenden Frau zurückgeworfen, dann zersprang sie klirrend und ließ eine dunkle, leere Höhle zurück.
     
    Wie ein Donnerschlag hallte der Lärm in der Stille nach, die sich im Raum ausbreitete. Roger, der aufgesprungen war, um Brianna hinterherzueilen, blieb ratlos in der Zimmermitte stehen. Er blickte auf seine Hände, als wüßte er nichts mit ihnen anzufangen. Dann sah er Claire an. Sie saß reglos wie ein Tier, das eben den Schatten eines Raubvogels vorbeiziehen sah, im Ohrensessel.
    Schließlich ging Roger zum Schreibtisch und lehnte sich dagegen.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, meinte er.
    Claires Lippen zuckten. »Ich auch nicht.«
    Wieder schwiegen sie. Das alte Haus knarrte, und aus der Küche, wo Fiona das Abendessen vorbereitete, drang leises Topfgeklapper. Das Entsetzen und die Verlegenheit, die Roger eben noch verspürt hatte, wichen einem anderen Gefühl, das er jedoch nicht einordnen konnte. Seine Hände waren kalt wie Eis, und dankbar für die Wärme rieb er sie am Kordsamt seiner Hose.
    »Ich...«, setzte er an. Doch dann hielt er inne und schüttelte den Kopf.
    Als Claire tief Luft holte, wurde ihm bewußt, daß sie sich nicht mehr gerührt hatte, seit Brianna aus dem Zimmer gestürzt war. Ihr Blick war klar und offen.
    »Glauben Sie mir?« fragte sie.
    Roger sah sie nachdenklich an. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, erwiderte er schließlich.
    Seine Antwort zauberte ein schwaches Lächeln auf ihr Gesicht. »Das hat Jamie auch gesagt, als ich ihm erzählte, wo ich herkomme.«

    »Daraus kann man ihm keinen Vorwurf machen.« Nach kurzem Zögern gab Roger sich einen Ruck und ging zu ihrem Sessel. »Darf ich?« Er kniete sich vor ihr hin, nahm ihre willenlose Hand und drehte sie zum Licht. Claires Handfläche war rosig, doch auf ihrer Daumenwurzel zeichnete sich weiß wie Schnee die schwache Linie eines »J« ab.
    »Das beweist noch gar nichts«, sagte sie, während sie ihn aufmerksam musterte. »Das kann auch von einem Unfall herrühren. Oder vielleicht habe ich es selbst getan.«
    »Aber das haben Sie nicht, oder?« Sanft legte er ihre Hand zurück in den Schoß, als wäre sie zerbrechlich.
    »Nein, aber das kann ich nicht beweisen. Daß die Perlen«, sie fuhr über die schimmernde Kette an ihrem Hals, »echt sind, läßt sich jederzeit feststellen. Aber damit ist noch lange nicht gesagt, woher ich sie habe.«
    »Und das Porträt von Ellen MacKenzie?« fragte er.
    »Auch kein Beweis. Ein Zufall. Es dient mir lediglich zur Untermauerung meiner Hirngespinste. Meiner Lügen.« Obwohl ihre Stimme fest geblieben war, schwang darin Bitterkeit mit. Auf ihrer Wange zeichneten sich rote Flecken ab, und allmählich löste sie sich aus ihrer Erstarrung. Wie eine Statue, die allmählich zum Leben erwacht, dachte er.
    Roger richtete sich auf. Langsam ging er im Zimmer auf und ab und strich sich dabei immer wieder durchs Haar.
    »Aber es ist Ihnen wichtig, nicht wahr? Sehr wichtig sogar.«
    »Ja.« Aber sie war jetzt aufgestanden und ging zum Schreibtisch, wo der Aktendeckel mit Rogers Forschungsergebnissen lag. Voller Ehrfurcht legte sie die Hand darauf.
    »Ich mußte es einfach wissen.« Ihre Stimme bebte leicht, doch sogleich reckte sie, um Fassung bemüht, das Kinn

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