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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Ruhe. Ian hatte keine Lust, so lange stillzusitzen, und ich mußte ihn gewaltsam dazu bringen.« Jamie lachte. »Danach saß er still neben mir, bis es soweit war. Allerdings schnappte er sich später eine Handvoll Gewölle, steckte es mir in den Kragen und sauste davon. Meine Güte, er konnte so schnell rennen wie ein Wiesel.« Ein Anflug von Traurigkeit überschattete sein Gesicht, als er an seinen behenden Jugendfreund und jetzigen Schwager dachte, der vor nicht allzu langer Zeit im Krieg Opfer einer Kartätsche geworden war und nun ungelenk und dennoch klaglos auf einem Holzbein umherhumpelte.
    »Das muß ein fürchterliches Leben sein«, bemerkte ich, um ihn abzulenken. »Ich meine nicht das Beobachten von Eulen, sondern den König. Kein Privatleben, nicht mal auf dem Klo.«
    »Für mich wäre das nichts«, pflichtete Jamie mir bei. »Aber dafür ist er der König.«
    »Und vermutlich gleichen die Macht, der Luxus und was sonst noch dazugehört vieles wieder aus.«
    Er zuckte die Achseln. »Ob dem so ist oder nicht, Gott hat ihn dazu bestimmt, und er hat keine andere Wahl, als das Beste daraus zu machen.« Er nahm sein Plaid und zog den Zipfel durch das Schwertgehenk hoch zur Schulter.
    »Warte, ich helfe dir.« Ich nahm die silberne Ringbrosche und befestigte den farbenprächtigen Stoff auf seiner Schulter. Er ordnete indessen die Falten, indem er fingerfertig die Wolle glättete.
    »Ich habe eine ähnliche Verpflichtung, Sassenach«, sagte er leise. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Auch wenn dies gottlob nicht bedeutet, daß Ian mir den Hintern abputzt. Ich bin als Gutsherr zur Welt gekommen. Mir obliegt die Verwaltung eines Stückes Land und der dort lebenden Menschen, und auch ich muß aus meinen Verpflichtungen das Bestmögliche machen.«
    Er streckte die Hand aus und strich mir zart über das Haar. »Deshalb bin ich froh, daß du gesagt hast, wir sollten es ausprobieren und sehen, was wir ausrichten können. Denn ein Teil von mir möchte am liebsten dich und das Kind nehmen und weit, weit weggehen, möchte auf dem Feld und mit den Tieren arbeiten, am Abend nach Hause kommen und die Nacht hindurch ungestört neben dir liegen.«

    Die tiefblauen Augen blickten gedankenverloren in die Ferne, während seine Hände wieder zu dem Plaid zurückkehrten und über die leuchtenden Karos des Fraser-Tartans strichen, auf dem Lallybroch sich durch eine zarte weiße Linie von den anderen Familien abhob.
    »Aber wenn ich das täte«, sprach er mehr zu sich als zu mir, »würde sich ein Teil meiner Seele abtrünnig vorkommen, und die Rufe meiner Leute würden mir in den Ohren schallen.«
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter, und er sah auf. Ein schiefes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    »Das glaube ich auch«, sagte ich. »Jamie... was auch immer geschehen mag, was immer wir tun können...« Ich hielt inne und suchte nach Worten. Wie so oft, war ich im Augenblick wie gelähmt bei dem Gedanken an die ungeheure Aufgabe, die wir übernommen hatten. Wer waren wir, daß wir den Gang der Geschichte ändern wollten, und zwar nicht nur für uns, sondern für die Prinzen und Bauern, für ganz Schottland?
    Jamie legte seine Hand auf meine und drückte sie beruhigend.
    »Niemand kann mehr von uns verlangen, als daß wir unser Bestes geben, Sassenach. Nein, wenn Blut vergossen wird, dann tragen wenigstens nicht wir die Verantwortung dafür. Bete zu Gott, daß es nicht soweit kommt.«
    Ich dachte an die einsamen grauen Steine der Clans im Moor von Culloden und an die Männer der Highlands, die vielleicht darunter begraben werden würden, wenn unser Vorhaben keinen Erfolg hatte.
    »Bete zu Gott«, wiederholte ich.

8
    Ein ruheloser Geist und ein Krokodil
    Die täglichen Pflichten in Jareds Handelskontor hielten Jamie in Atem, und da auch noch Audienzen beim König dazukamen, führte er ein recht erfülltes Leben. Gleich nach dem Frühstück brach er mit Murtagh zu den Lagerhäusern auf, um die neuen Lieferungen zu überwachen, die Bestandslisten zu ergänzen und die Docks an der Seine sowie seiner Beschreibung nach äußerst zweifelhafte Tavernen zu besuchen.
    »Wenigstens hast du Murtagh bei dir«, stellte ich beruhigt fest. »Und mitten am Tag wird man euch wohl kaum etwas antun.« Zwar wirkte der kleine Clansmann, der sich äußerlich nur durch den karierten unteren Teil seiner Kleidung von den Halunken im Hafen unterschied, nicht besonders beeindruckend, aber seit ich mit ihm durch halb Schottland geritten war, um

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