Die Geliehene Zeit
bei weitem nicht so eifrig wie sein Vorgänger. Philipp von Spanien und Louis sind Vettern von James. Er fordert also nur die Verpflichtung der bourbonischen Blutsverwandten ein.« Listig lächelte er mich von der Seite an. »Und meiner Erfahrung nach ist das königliche Blut auch nicht dicker als Wasser, wenn Geld im Spiel ist, Sassenach.«
Jamie hob erst den einen, dann den anderen Fuß, streifte seine Strümpfe ab und schleuderte sie auf den Schlafzimmerhocker.
»Vor dreißig Jahren hat James aus Spanien Geld erhalten«, erzählte er. »Außerdem eine kleine Flotte und dazu noch ein paar Soldaten. So kam es zum Aufstand von 1715. Aber er hatte Pech; seine Truppen wurden bei Sheriffsmuir geschlagen, noch bevor er selbst am Kriegsschauplatz eintraf. Daher vermute ich, daß die Spanier sich nicht darum reißen, einen zweiten Versuch zu finanzieren - zumindest nicht ohne sichere Aussicht auf Erfolg.«
»Also ist Charles nach Frankreich aufgebrochen, um Louis und die Bankiers zu bearbeiten«, folgerte ich. »Wenn meine Geschichtskenntnisse mich nicht trügen, gelingt es ihm auch. Und was heißt das für uns?«
Jamie streckte sich, so daß sich die Matratze unter ihm ein wenig senkte.
»Das heißt, daß ich Wein an Bankiers verkaufen werde, Sassenach«, antwortete er unter Gähnen, »und du mit Dienstmädchen plaudern wirst. Wenn wir genügend Rauch blasen, können wir die Bienen vielleicht betäuben.«
Unmittelbar bevor Jared abreiste, führte er Jamie in dem kleinen Haus auf dem Montmartre ein, in dem Seine Hoheit Prinz Charles Edward Stuart residierte, bis sich herausstellen würde, auf welche Weise Louis sich für einen mittellosen Cousin und Thronanwärter einsetzen oder auch nicht einsetzen würde.
Nachdem die beiden, in ihr bestes Gewand gekleidet, aufgebrochen waren, kreisten meine Gedanken unablässig um diesen Besuch, und ich malte mir ihr Zusammentreffen in allen Einzelheiten aus.
»Wie war es?« bestürmte ich Jamie, kaum daß er wieder da war und ich ihn allein zu fassen bekam. »Wie ist er?«
Nachdenklich kratzte er sich den Kopf.
»Er hatte Zahnschmerzen«, sagte er schließlich.
»Was?«
»So sagte er jedenfalls. Und er schien sehr zu leiden. Er hielt den Kopf schief, und seine Wange war ein wenig geschwollen. Ich kann nicht beurteilen, ob er normalerweise auch so steif ist oder ob ihm das Sprechen zu starke Schmerzen bereitete, jedenfalls war er recht einsilbig.«
Nach den förmlichen Begrüßungsfloskeln fanden sich die älteren Herren - Jared, der Graf von Marischal und eine jämmerlich aussehende Kreatur, die allenthalben »Balhaldy« tituliert wurde - zu einem Gespräch über schottische Politik zusammen und überließen Jamie und Seine Hoheit sich selbst.
»Wir hatten beide einen Becher Weinbrand vor uns«, berichtete Jamie auf mein Drängen gehorsam. »Ich fragte ihn, wie ihm Paris gefalle, und er antwortete, er empfände es als unangenehm einengend, da er nicht auf die Jagd gehen könne. Daraufhin sprachen wir über die Jagd. Er jagt lieber mit Hunden als mit Treibern, und ich stimmte zu. Dann erzählte er mir, wie viele Fasane er auf einem Jagdausflug in Italien geschossen hatte. Er sprach von Italien, bis die Zahnschmerzen wegen der Zugluft vom Fenster schlimmer wurden. Das Haus ist nicht besonders solide gebaut, nur eine kleine Villa. Er trank noch ein wenig mehr Weinbrand gegen die Schmerzen, und ich berichtete ihm von der Hirschjagd in den Highlands. Er sagte, er würde das auch gern einmal versuchen, und fragte, ob ich gut mit Pfeil und Bogen umgehen könne. Ich sagte ja, woraufhin er erklärte, er hoffe, mich einmal zur Jagd nach Schottland einladen zu können. Als Jared mich daran erinnerte, er müsse auf dem Rückweg noch einmal am Lagerhaus haltmachen, reichte mir Seine Hoheit die Hand, ich küßte sie, und wir verschwanden.«
»Hmmm«, sagte ich. Obwohl man vernünftigerweise davon ausgehen sollte, daß Berühmtheiten - oder solche, die es einmal werden oder werden möchten - sich in ihrem alltäglichen Benehmen nicht von normalen Menschen unterscheiden, fand ich diesen Bericht über Bonnie Prince Charlie doch ein wenig enttäuschend. Immerhin war Jamie wieder eingeladen worden. Schließlich kam es darauf an, mit Seiner Hoheit näher bekannt zu werden, um ein Auge auf seine Pläne zu haben, sobald sie Gestalt annahmen. Zu
gerne hätte ich gewußt, ob nicht wenigstens der König von Frankreich eine Spur beeindruckender war.
Meine Neugierde sollte schon bald
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