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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schlug er sanft vor.
    »Vielleicht nicht.« Ich strich über das Metall, das warm war wie meine Haut, bevor ich hilflos die Hand fallen ließ. »Ach Jamie, ich weiß es nicht! Ich weiß gar nichts mehr.«
    Erschöpft rieb er mit den Fingerknöcheln über die Falte zwischen seinen Brauen. »Ich auch nicht, Sassenach.« Dann ließ er die Hand sinken und lächelte mich gezwungen an.
    »Da ist noch etwas«, meinte er. »Frank hat dir gesagt, Jonathan Randall würde in Culloden sterben.«
    »Ja, und um ihm angst zu machen, habe ich das dem Randall auch ins Gesicht geschleudert, damals, in Wentworth, als er mich in den Schnee hinausschickte, bevor... er zu dir zurückkehrte.« Ehe ich mich versah, hatte Jamie Augen und Mund zugekniffen, und ich schwang entsetzt die Füße auf den Boden.
    »Jamie! Was ist los?« Ich wollte ihm die Hand auf die Stirn legen, doch er befreite sich aus meinem Griff, stand auf und ging zum Fenster.
    »Ist schon gut, Sassenach. Ich habe den ganzen Morgen Briefe geschrieben, und jetzt kommt es mir vor, als würde mir der Schädel zerspringen. Mach dir keine Sorgen.« Er winkte ab und legte den
Kopf mit geschlossenen Augen an die kühle Fensterscheibe. Dann sprach er weiter, als wollte er sich von seinem Schmerz ablenken.
    »Wenn du weißt -, so wie Frank -, daß Jonathan Randall in Culloden stirbt, wir aber wissen, daß es nicht so kommen wird, dann... dann ist es zu schaffen.«
    »Was ist zu schaffen?« Ich wollte ihm beistehen, wußte aber nicht wie. Daß ich ihn jetzt nicht berühren durfte, hatte ich schon gemerkt.
    »Was deines Wissens nach geschehen wird, läßt sich ändern.« Er hob den Kopf von der Fensterscheibe und lächelte mich müde an. Sein Gesicht war noch bleich, doch den Schreck hatte er anscheinend überwunden. »Jonathan Randall ist früher gestorben, als er sollte, und Mary Hawkins wird einen anderen heiraten. Auch wenn das bedeutet, daß dein Frank nicht geboren wird - oder auf andere Weise zur Welt kommt«, fügte er hinzu, um mich zu trösten, »heißt das auch, daß wir unser Vorhaben verwirklichen können. Vielleicht ist Hauptmann Randall nicht in Culloden gestorben, weil es nicht zur Schlacht kommen wird.«
    Er gab sich einen Ruck, kam auf mich zu und nahm mich in die Arme. Ich umschlang seine Taille und blieb still stehen. Er senkte den Kopf und legte die Stirn auf meinen Scheitel.
    »Ich weiß, wie traurig dich das stimmt, mo duinne . Aber wird dir nicht leichter, wenn du dir vorhältst, wieviel Gutes daraus erwächst?«
    »Doch«, flüsterte ich schließlich in die Rüschen seines Hemdes. Dann löste ich mich behutsam aus seinen Armen und legte ihm die Hand an die Wange. Die Falte auf seiner Stirn war tiefer geworden, und sein Blick war verschleiert, aber er lächelte mich an.
    »Jamie«, sagte ich. »Leg dich ein wenig hin. Ich schicke den d’Arbanvilles eine Nachricht, daß wir heute abend nicht kommen.«
    »Keinesfalls«, wehrte er ab. »Das wird schon wieder. Ich kenne diese Art von Kopfschmerzen. Sie kommen vom Schreiben und sind nach einer Stunde Schlaf wieder vorbei. Ich gehe nach oben.« Er wandte sich zur Tür. Aber dann zögerte er und drehte sich mit einem leisen Lächeln noch einmal um.
    »Wenn ich im Schlaf schreie, Sassenach, leg mir die Hand auf die Stirn und sag: ›Randall ist tot.‹ Dann geht es mir wieder gut.«
Bei den d’Arbanvilles erwartete uns ein vorzügliches Mahl und angenehme Gesellschaft. So kehrten wir erst spät in der Nacht nach Hause zurück. Kaum hatte ich den Kopf aufs Kissen gelegt, sank ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Doch mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf und spürte, daß etwas nicht stimmte.
    Wie es ihre leidige Gewohnheit war, hatte sich die Daunendecke selbständig gemacht, so daß mir nur noch die dünne Wolldecke geblieben war. Im Halbschlaf drehte ich mich um und tastete nach Jamies warmen Körper. Doch Jamie war fort.
    Erschreckt setzte ich mich auf. Aber dann sah ich ihn. Er saß am Fenster und hatte den Kopf in die Hände gestützt.
    »Jamie! Was ist los? Hast du wieder Kopfschmerzen?« Ich griff nach der Kerze, weil ich meinen Medizinkasten holen wollte, doch etwas an seiner Haltung veranlaßte mich, sofort zu ihm hinüberzugehen.
    Er atmete schwer, als ob er einen Dauerlauf gemacht hätte, und trotz der Kälte war er schweißnaß. Seine Schultern fühlten sich hart und kalt an wie die einer Statue.
    Bei meiner Berührung zuckte er zusammen und sprang auf. Mit weitaufgerissenen, leeren Augen

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