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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fragte er beunruhigt. »Bist du krank, Mädel? Du bist ja ganz weiß im Gesicht.«
    Das war nicht weiter erstaunlich. Denn in diesem Moment war mir eingefallen, wo ich den Namen Mary Hawkins schon einmal gelesen hatte. Jamie hatte sich geirrt; die Sache ging mich sehr wohl etwas an. Denn dieser Name stand in gestochener Handschrift und verblaßter Tinte oben auf einer Ahnentafel. Es war Mary Hawkins nicht vorherbestimmt, die Ehefrau des altersschwachen Vicomte de Marigny zu werden. Im Jahr des Herrn 1745 sollte sie Jonathan Randall heiraten.
     
    »Das ist doch unmöglich!« sagte Jamie. »Jonathan Randall ist tot.« Er hatte ein Glas Weinbrand eingeschenkt und reichte es mir jetzt herüber. Seine Hand zitterte nicht, doch seine Lippen waren zusammengepreßt, und er sprach das Wort »tot« so scharf aus, daß es eine grausame Endgültigkeit gewann.
    »Leg deine Füße hoch, Sassenach«, forderte er mich auf. »Du bist immer noch kreidebleich.« Gehorsam streckte ich mich auf der Chaiselongue aus. Jamie setzte sich neben mich ans Kopfende und legte mir geistesabwesend die Hand auf die Schulter und massierte sie.

    »Marcus MacRannoch hat gesehen, wie Randall in Wentworth vom Vieh zu Tode getrampelt worden ist«, sagte er noch einmal, als würde es durch die Wiederholung zur Gewißheit werden. »Eine Puppe in blutigen Fetzen, so hat ihn mir Sir Marcus beschrieben. Er war sich ganz sicher.«
    »Genau.« Nach einem Schluck Weinbrand spürte ich, wie das Blut in meine Wangen zurückkehrte. »Das hat er mir auch erzählt. Nein, du hast recht. Hauptmann Randall ist tot. Es hat mir nur einen Schock versetzt, als ich mich an Mary Hawkins erinnert habe. Wegen Frank.« Ich blickte auf meine linke Hand, die auf meinem Bauch ruhte. Der schmale, glatte Goldreif, mein erster Hochzeitsring, glänzte im Flammenschein des Feuers. Jamies schottischen Silberring trug ich am Ringfinger der rechten Hand.
    »Ah.« Jamie hielt in der Massage inne. Seine Augen suchten meinen Blick. Seit seiner Rettung aus dem Gefängnis hatten wir nicht mehr über Frank gesprochen. Ebensowenig hatten wir Jonathan Randalls Tod erwähnt. Er war uns nur insofern wichtig, als wir nun wußten, daß uns von dieser Seite keine Gefahr mehr drohte. Seitdem hatte es mir widerstrebt, Jamie an Wentworth zu erinnern.
    »Du weißt doch, daß er tot ist, nicht wahr, mo duinne ?« Jamie sprach leise. Seine Hand ruhte auf meiner Schulter, und ich wußte, er meinte Frank und nicht Jonathan.
    »Vielleicht nicht«, erwiderte ich, während mein Blick auf dem Ring ruhte. »Wenn er tot ist, Jamie - also wenn es ihn nicht gibt, weil Jonathan Randall tot ist -, warum trage ich dann immer noch seinen Ring?«
    Er starrte auf den goldenen Ring, und ein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Auch er war bleich. Ich wußte nicht, ob es ihm schaden würde, an Jonathan Randall zu denken, aber es blieb keine andere Wahl.
    »Bist du sicher, daß Randall vor seinem Tod keine Kinder hatte?« fragte er. »Das wäre eine Erklärung.«
    »Gewiß wäre es das«, entgegnete ich. »Aber ich weiß genau, daß er keine hatte. Frank...«, meine Stimme zitterte ein wenig, und Jamies Griff um mein Handgelenk wurde fester, »Frank hat immer viel Aufhebens um Jonathan Randalls tragischen Tod gemacht. Er sagte, sein Vorfahr sei auf dem Schlachtfeld von Culloden gestorben, im letzten Kampf des Aufstands, und sein Sohn - also Franks
Ururururgroßvater - sei einige Monate nach dem Tod des Vaters geboren worden. Die Witwe habe ein paar Jahre darauf wieder geheiratet. Selbst wenn es ein uneheliches Kind gegeben hätte - Franks Urahn könnte es nicht sein.«
    Nachdenklich runzelte Jamie die Stirn, so daß sich zwischen seinen Brauen eine tiefe Falte abzeichnete. »Könnte ihm ein Fehler unterlaufen sein - daß das Kind gar nicht von Randall war? Vielleicht stammt Frank ja nur von Mary Hawkins ab. Mary ist ja noch am Leben.«
    Ich schüttelte hilflos den Kopf.
    »Das ist unmöglich. Wenn du Frank gesehen hättest... Eine Sache habe ich dir bisher noch nicht erzählt. Als ich damals auf Jonathan Randall stieß, dachte ich zuerst, ich hätte Frank vor mir. Natürlich gleichen sie sich nicht wie ein Ei dem anderen, aber die Ähnlichkeit ist wirklich erstaunlich. Nein, Jonathan Randall ist Franks Urahn, da gibt es keinen Zweifel.«
    »Ich verstehe.« Jamies Finger waren feucht geworden, und jetzt wischte er sie geistesabwesend an seinem Kilt ab.
    »Dann... hat der Ring vielleicht überhaupt nichts zu bedeuten, mo duinne« ,

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