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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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den Handrücken und führte sie elegant an die Nase.
    Dann atmete er mit erwartungsfroh funkelnden Augen tief ein und warf den Kopf nach hinten. Plötzlich wurde mit einem lauten Scheppern der Messingringe der Vorhang aufgezogen. Da die Störung die Zielsicherheit des Vicomte beeinträchtigte, nieste er mit aller Wucht auf meinen Busen.
    »Sie Widerling!« kreischte ich und zog ihm meinen geschlossenen Fächer übers Gesicht.
    Mit tränenden Augen taumelte der Vicomte nach hinten. Dabei stolperte er über meine Schuhe, Größe einundvierzig, die auf dem Boden lagen, und in Jamies Arme, der im Eingang Stellung bezogen hatte.
     
    »Du bist derjenige, der alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat«, sagte ich schließlich.
    »Pah«, entgegnete Jamie. »Der salaud kann froh sein, daß ich ihm nicht den Kopf abgerissen und in den Mund gestopft habe.«
    »Das hätte jedenfalls ein interessantes Schauspiel abgegeben«, erwiderte ich trocken. »Aber ihn in den Brunnen zu werfen war fast genausogut.«
    Jamie blickte auf, während sich ein widerstrebendes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete.
    »Aye. Aber schließlich habe ich ihn doch nicht ersäuft.«
    »Ich nehme an, der Vicomte weiß deine Zurückhaltung zu schätzen.«
    Jamie schnaubte. Er stand in der Mitte des Salons, der zu einem kleinen appartement gehörte. Dieses hatte uns der König, nachdem er sich von seinem Lachanfall erholt hatte, für die Nacht zugewiesen, damit wir nicht noch am selben Abend die weite Rückreise nach Paris antreten mußten.

    »Schließlich, mon chevalier« , hatte er gesagt, während er den Blick über Jamie gleiten ließ, der tropfnaß auf der Terrasse stand, »wären wir außerordentlich betrübt, wenn Sie sich eine Unterkühlung zuzögen. Das würde den Hof sicherlich einer großartigen Unterhaltung berauben, und Madame könnte mir sicher nie verzeihen. Nicht wahr, meine Teure?« Louis streckte die Hand aus und kniff Madame de La Tourelle neckisch in die Brust.
    Seine Mätresse schien zwar leicht verärgert, doch sie lächelte gehorsam. Sobald der König seine Aufmerksamkeit von ihr abwandte, ruhte ihr Blick allerdings auf Jamie, hatte ich festgestellt. Das war ihr nicht zu verdenken, denn wie er so tropfend im Schein der Fackeln dastand und ihm die Kleider am Körper klebten, sah er wirklich eindrucksvoll aus. Trotzdem hätte ich es ihr am liebsten verboten.
    Jetzt entledigte sich Jamie seines nassen Hemdes und ließ es auf den Haufen mit den anderen durchweichten Kleidungsstücken fallen. Mit nacktem Oberkörper sah er sogar noch beeindruckender aus.
    »Noch mal zu dir«, meinte er mit einem finsteren Blick. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich von den Alkoven fernhalten?«
    »Doch. Aber hast du nützliche Bekanntschaften gemacht, bevor du aufgetaucht bist, um deine ehelichen Rechte zu verteidigen?«
    Er rieb sich verbissen das Haar trocken. »O ja, ich habe eine Partie Schach gegen Monsieur Duverney gespielt. Und sogar gewonnen! Hat ihn ganz schön geärgert.«
    »Klingt verheißungsvoll. Und wer ist Monsieur Duverney?«
    Grinsend schob Jamie mir das Handtuch herüber. »Der Finanzminister Seiner Majestät, Sassenach.«
    »Aha! Und deshalb findest du es erfreulich, ihn geärgert zu haben!«
    »Er war wütend auf sich selbst, weil er verloren hat«, erklärte Jamie mir. »Jetzt findet er keine Ruhe mehr, ehe er nicht gegen mich gewonnen hat. Am Sonntag kommt er zu uns, und wir spielen um die Revanche.«
    »Prima!« entgegnete ich. »Und im Verlauf seines Besuchs wirst du ihm versichern, daß es mit den Aussichten der Stuarts nicht gerade zum besten steht. Bestimmt kannst du ihn davon überzeugen, daß Louis seinem Cousin besser keine finanzielle Unterstützung gewährt, Blutsbande hin oder her.«

    Jamie nickte und strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht. Weil im Kamin kein Feuer brannte, fröstelte er ein wenig.
    »Wo hast du Schachspielen gelernt?« fragte ich neugierig. »Ich wußte gar nicht, daß du es beherrschst.«
    »Colum MacKenzie hat es mir beigebracht«, erklärte er. »Im Alter von sechzehn habe ich ein Jahr auf Burg Leoch gewohnt. Für Französisch, Deutsch, Mathematik und so weiter hatte ich meine Hauslehrer. Doch jeden Abend habe ich eine Stunde lang mit Colum Schach gespielt. Allerdings brauchte er gewöhnlich keine Stunde, um mich zu schlagen.«
    »Kein Wunder, daß du ein so guter Spieler bist.« Jamies Onkel Colum litt an einer entstellenden Krankheit, die ihn nahezu unbeweglich machte. Er kompensierte

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