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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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um Himmels willen, hüte dich!«
    »Mich hüten? Wovor?«
    Sein Mund verzog sich zu einem zaghaften Lächeln.
    »Anscheinend hast du keine Vorstellung, wie du in dem Kleid aussiehst, Mädchen! Ich würde dich am liebsten auf der Stelle ins Bett schleifen. Und diese verdammten Gallier verfügen nicht über meine Willenskraft.« Er zog die Stirn kraus. »Könntest du nicht... könntest du es nicht oben ein wenig verhüllen?« Er zeigte auf sein üppiges Jabot, das mit einer rubinbesetzten Anstecknadel befestigt war. »Mit... einer Spitze oder etwas Ähnlichem? Einem Taschentuch vielleicht?«
    »Männer!« seufzte ich. »Von Mode keine Ahnung! Aber mach dir keine Sorgen, die Näherin hat mir erklärt, daß wir zu diesem Zweck unsere Fächer haben.« Ich klappte den passenden spitzenbesetzten Fächer auf und ließ ihn mit einer Anmut, die mich fünfzehn Minuten harten Übens gekostet hatte, über meinen Busen flattern.
    Jamie blickte wie in Trance auf meine Darbietung. Dann holte er meinen Umhang aus dem Schrank.
    »Tu mir einen Gefallen, Sassenach«, sagte er. »Nimm einen größeren Fächer.«
     
    In punkto Auffälligkeit war das Kleid ein uneingeschränkter Erfolg. Was die Auswirkungen auf Jamies Blutdruck betraf, war der Effekt nicht ganz so wünschenswert.
    Er wich mir nicht von der Seite und funkelte jeden Mann, der in meine Richtung sah, wütend an, bis Annalise de Marillac uns entdeckte und mit einem süßen Begrüßungslächeln auf den zarten Zügen auf uns zuschwebte. Annalise de Marillac war eine »Bekannte«,
wie Jamie sich ausdrückte, aus seiner früheren Zeit in Paris. Außerdem war sie wunderschön, reizend und ausgesprochen graziös.
    »Mon petit sauvage!« begrüßte sie Jamie. »Da ist jemand, den du kennenlernen mußt. Eigentlich sind es sogar mehrere.« Mit ihrem Porzellanpuppenkopf wies sie auf eine Gruppe von Männern, die sich um einen Schachtisch versammelt hatten und hitzig debattierten. Ich erkannte den Duc d’Orléans und Gerard Gobelin, einen bekannten Bankier. Einflußreiche Leute demnach.
    »Komm und spiel mit ihnen Schach«, drängte Annalise und legte Jamie bittend die Hand auf den Arm. »Es wäre nicht schlecht, wenn Seine Majestät dich dabei antrifft.«
    Der König wurde erwartet, sobald das Diner zu Ende war, zu dem er geladen hatte, also in ein bis zwei Stunden. In der Zwischenzeit schlenderten die anderen Gäste durch den Raum, trieben Konversation, bewunderten die Gemälde an den Wänden, kokettierten hinter Fächern, verspeisten Konfekt und Törtchen, tranken Wein und zogen sich in diskreten Abständen in die eigenartigen, durch Vorhänge geschützten kleinen Alkoven zurück. Diese waren so geschickt in die Wandvertäfelung eingelassen, daß man sie kaum wahrnahm, wenn nicht gerade eindeutige Geräusche daraus hervordrangen.
    Als Jamie zögerte, zog ihn Annalise am Arm.
    »Komm schon«, schmeichelte sie. »Um deine Dame brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Sie warf einen anerkennenden Blick auf mein Kleid. »Die bleibt nicht lange allein.«
    »Das fürchte ich ja gerade«, stieß Jamie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Nun gut, in einem Augenblick.« Er machte sich aus Annalises Griff frei und beugte sich hinunter, um mir ins Ohr zu flüstern.
    »Wenn ich dich in einem dieser Alkoven finde, Sassenach, hat für deinen Begleiter das letzte Stündlein geschlagen. Und was dich angeht...« Unwillkürlich fuhr seine Hand zu seinem Schwertgehenk.
    »O nein, das wirst du nicht«, entgegnete ich. »Du hast auf deinen Dolch geschworen, daß du mich nie wieder schlägst.«
    Widerstrebend verzog sich sein Mund zu einem Grinsen.
    »Nein, ich werde dich nicht schlagen, sosehr es mir dann auch in den Fingern juckt.«

    »Gut. Was hast du statt dessen vor?« fragte ich neckend.
    »Ich werde mir schon etwas einfallen lassen«, erwiderte er grimmig. »Ich weiß zwar noch nicht, was, aber es wird dir nicht gefallen.«
    Nach einem letzten wütenden Blick in die Runde und einem besitzergreifenden Druck auf meine Schulter ließ er sich von Annalise fortführen.
    Annalise hatte sich nicht geirrt. Kaum war ich Jamies schutzspendender Nähe beraubt, scharten sich die Herren des Hofes um mich wie ein Schwarm Papageien um eine reife Passionsfrucht.
    Wiederholt küßte man mir die Hand und drückte sie bedeutungsvoll, ich wurde mit blumigen Komplimenten geradezu überschüttet, und das Defilee der Kavaliere, die mir Becher mit gewürztem Wein reichten, riß nicht ab. Nach einer halben

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