Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
Vom Netzwerk:
folgen einem Flussbett. Die Geländewagen und der Jeep machen mehr Lärm, als uns lieb ist. Der Panzer passt nicht richtig über das Flussbett. Entweder die linke oder die rechte Kette ist ständig im Wasser und gräbt eine tiefe Rinne. Schließlich lassen wir Vasille am Ende des kleinen Konvois fahren. Das Flussbett führt um eine Mesa herum (wahrscheinlich ist es gar keine oder wird nicht so genannt, aber die Bezeichnung passt recht gut, und irgendwie gefallt mir auch die Anspielung auf Cowboyfilme; wir sind die Bande, die vor dem Sheriff flieht) und verläuft anschließend nicht gemächlich bergauf, sondern endet in einem tiefen Teich vor einem Wasserfall. Allerdings gibt es einen Ziegenpfad, der weiter nach oben führt. Vasille behauptet zumindest, es sei ein Ziegenpfad. In dieser Gegend gibt es mindestens dreimal so viele Schafe wie Ziegen, also spricht einiges gegen ihn. Jedenfalls ist es eine Art Weg, und hinter dem Wasserfall gibt es eine modrige Höhle, die groß genug ist, um die Geländewagen zu verbergen. Den Panzer lassen wir im Freien stehen, denn er hat eine raffinierte Diebstahlsicherung, die mit einer größeren Bombe verbunden ist. Vasille legt man nur einmal herein.
    Wir steigen hinauf, langsam und ängstlich. Wir schießen auf Schatten, und einmal feuert jemand von unten aus dem Tal auf uns. Daraufhin gehen wir eilig in Deckung, ich muss an Butch und Sundance denken, aber es passiert weiter nichts. Trotzdem bleiben wir ungefähr eine halbe Stunde genau an der Stelle, wo wir sind.
    Auf halbem Wege überwinden wir verstohlen und getarnt einen Hügelkamm und stoßen auf Schafe. Sie sind nicht tot, sondern lebendig, und sie sind nicht allein. Die Schäfer sind bewaffnet und gefährlich – Katiris aus irgendeiner Armee, die genau das Gleiche tun wie wir. Sie fliehen Hals über Kopf aus dem verrücktesten Teil der Welt und suchen einen Ort, der nicht ganz so verrückt ist. Da sind sie also, und hier sind wir, alle haben Angst und Gewehre und sehen keinen Ausweg mehr.
    Der Größte unter ihnen ist auch der Anführer. Er zielt mit einer riesengroßen Pistole auf uns, einer Magnum oder einer anderen Machoknarre, und seine Freunde haben AKs, genauer gesagt wahrscheinlich chinesische AK-038, im Grunde also das 74er-Modell, das alle als AK-47 bezeichnen, plus Flaschenöffner sowie ein paar zusätzliche Versiegelungen, damit das Ding im Monsun besser funktioniert. Das hier ist eine verdammt beschissene Situation, ein riesiges Chaos, und bald wird es Tote geben. Gonzo und Jim Hepsobah sind bereit – sie schätzen schon die Verluste ein –, und Eagle Culpepper funktioniert wieder einwandfrei, auch wenn sie noch nicht ganz bei Sinnen ist. Sie baut sich vor dem Anführer auf, alle haben den Finger am Abzug. Wir sehen unvermeidlichen Todesfällen ins Auge. Gut möglich, dass der Sieger einfach nur derjenige ist, der als Letzter stirbt.
    »Hugwughugwug!«, sagt ihr Chef wütend und wackelt mit der Kanone, als sei sie ein Zepter. Er hat natürlich eine völlig vernünftige Frage gestellt, nur eben in seiner eigenen Sprache, die keiner von uns beherrscht. Seine Stimme klingt weich, melodisch und angenehm. Das ändert aber nichts daran, dass er ziemlich sauer und aufgebracht ist. »Hug! Hugwug, hug wug wuggah ughug? Huuuugwugga!« Das Letzte klingt ein wenig schrill. Leah legt langsam ihre Schrotflinte vor sich auf den Boden. Das ist so vernünftig, dass niemand einen anderen erschießt. Wahrscheinlich sind alle viel zu erschrocken. Wir fahren damit fort, einander nicht zu erschießen, weil es irgendwie doch möglich scheint, dass wir einen Ausweg finden. Sie geht langsam und anmutig zu ihnen hinüber und stößt mit dem Knie ein Schaf aus dem Weg, das anscheinend mehr als die anderen auf einen Selbstmord aus ist. Alle lachen. Die Katiris zielen immer noch mit ihren Gewehren auf uns, aber keiner zielt eigens auf sie. Leah geht weiter, bis sie direkt vor dem Anführer steht, dessen Kanone über ihre Schulter hinweg weiter auf uns gerichtet bleibt. Sie lässt die Hände mit nach außen gedrehten Handflächen locker an den Seiten hängen, um deutlich zu machen, dass sie kein schreckliches, raffiniertes Kung-Fu-Manöver plant. Dann küsst sie ihn leicht auf die rechte und die linke Wange. Das ist eine unmissverständliche Geste: Lasst uns alle Freunde sein. Danach dreht sie sich um, geht zur Seite, setzt sich auf einen Stein und sieht uns alle an, als wären wir ein Haufen Arschlöcher, was wir ja auch sind. Auch das

Weitere Kostenlose Bücher