Die gelöschte Welt
Kumpel, den du seit vielen Jahren kennst, eine Affäre mit deiner Frau haben konnte, ohne dass du auch nur eine Ahnung hattest. Du warst so ahnungslos, dass er in dein Haus einziehen, deine Möbel gegen seine eigenen austauschen und einen Hund kaufen konnte; und wie er all dies tun konnte, obwohl du doch die ganze Zeit mit deiner Frau zusammengelebt hast.«
»Das weiß ich nicht.«
»Ah. Na gut, dann solltest du es vielleicht herausfinden. Und wenn du schon einmal dabei bist, dann kannst du dich vielleicht auch mal fragen, wer um alles in der Welt aus welchem Grund auf die Idee kommen könnte, das Jorgmund-Rohr zu beschädigen; und wie wir einen Mann nennen, der Schwarz trägt, der aus dem Nichts auftaucht und sich durch eine einigermaßen fähige Kampftruppe hackt, als wär sie ein Pfund Yakbutter. Du könntest über den Ursprung des geheimnisvollen Anrufs nachdenken, der euch riet – mit Recht, wie wir inzwischen wissen –, diesen Job so zu meiden, als wäre er eine mongolische Rattenwurst. Und da du ein guter Schüler und ein Freund des guten, alten Wu Shenyang warst, könntest du auch noch darüber nachdenken, ob dieser schwarz gekleidete, blutrünstige Mistkerl, der dich und deinen ehemaligen Kumpel einem Schauer des schrecklichsten, gefährlichsten Zeugs ausgesetzt hat, seit die Goss-Brüder mit Singen aufgehört haben, und der dir dann auch noch den Kopf abschneiden wollte, irgendwie mit den anderen schwarz gekleideten, blutrünstigen Mistkerlen zu tun haben könnte, die möglicherweise deinen Lehrer ermordet und sein Haus in Brand gesteckt haben. Das alles wirft die Frage auf, wie es kommt, Arschloch, dass du nicht völlig verzerrt, verdreht und verändert wurdest, wie es jedem anderen geschehen wäre, der einer Ladung extrem toxischen Kleisters ausgesetzt wird, und ob deine gegenwärtigen Probleme vielleicht in gewisser Weise auf diese Nahbegegnung mit dem vergifteten Blut dieser Welt zu tun haben. Habe ich Recht?«
Ich nicke.
»Sag: ›Ja, Ronnie, du hast Recht!‹ Aber wie kannst du das erreichen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Leck mich doch, Arschloch, obwohl – wenn ich recht darüber nachdenke, ist das eine seltsame Einladung, die du ignorieren solltest. Du hast wirklich keinen blassen Schimmer, was?« Das ist alles so grausam zutreffend, dass meine mürrische Miene richtiggehend verfliegt. Ich will einfach nur umarmt werden.
»Nein, Ronnie, ich habe keinen Schimmer.« Daraufhin beäugt mich Ronnie Cheung etwas genauer.
»Schöner Mist«, sagt er schließlich. Er lässt sich neben mir auf den Baumstumpf fallen und zündet sich eine Kippe an, die er hinter dem Ohr hervorholt.
»Deine Situation, Arschloch, ist so beschissen. Du hast keine Ahnung. In diesem Zustand kannst du nicht einmal richtig loslegen, weil du sonst stirbst. Dir ist vielleicht schon aufgefallen, dass du in der letzten Zeit nicht nur einmal, sondern dreimal dem Tod von der Schippe gesprungen bist. Alle in deiner Nähe wissen, wie ernst es ist. Aber du spielst mit dem Puppenhaus deiner Schwester oder – Gott helfe mir – mit deinem winzigen Schniedel. Sie sind auf vertrautem Gelände, du bist in Feindesland. Pass genau auf, Arschloch, weil ich es dir nur einmal sagen werde: Irgendjemand hat euch hereingelegt. Ist das klar? Wenn irgendjemand genug wusste, um euch übers Telefon zu warnen, dann heißt das, die folgenden Ereignisse beruhten zumindest teilweise auf einem Plan. Wir müssen davon ausgehen, dass du bei diesem Plan nicht besonders gut wegkommst. Deshalb werden wir ihn als feindlichen Plan bezeichnen. Nachdem dies klar ist, solltest du diesen Plan aber genau kennenlernen. Cui bono, das ist die Frage. Wem nützt es? Du brauchst Karten und Diagramme, Wetterberichte und Feindaufklärung. Das brauchst du, weil alle anderen diese Dinge längst schon haben. Du hast nicht den Hauch einer Chance, solange du nicht weißt, was im Gange ist.«
»Wie viel muss ich wissen?«
Ronnie Cheung zuckt mit den Achseln.
»Nach Möglichkeit alles.«
»Der größte Teil ist mir egal. Ich will nur den Teil wissen, mit dem ich zu tun habe.«
»Arschloch«, sagt Ronnie Cheung, nimmt einen tiefen Zug von seiner Kippe und legt den Kopf in den Nacken, um den Himmel zu betrachten, »was hat dich denn bei alledem auf die Idee gebracht, irgendjemand würde sich für das interessieren, was du willst?«
Ich kann seine Kippe immer noch riechen, aber er ist schon nicht mehr da.
Hinter mir entsteht im Dunkeln ein Windstoß, der ganz leicht nach
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