Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
Vom Netzwerk:
ein wenig trockener oder fruchtbarer, oder das eine oder andere scheue Tier mit rosafarbenen Ohren gedeiht in ihnen besonders gut. Es ist nur sehr schwer zu erkennen. Wüsten sind wie nahezu kahlköpfige Männer, die sich die Haare schneiden lassen. Der Unterschied ist von innen betrachtet entscheidend, aber für alle anderen ist es nach wie vor eine staubige Steppe, in der höchstens ein paar Büsche wachsen. Heute Abend ist es kalt. Von den Bergen weht der Wind einen feinen Dunst herunter, der nach Schnee riecht. Aus der anderen Richtung begrüßt uns der warme, penetrante Gestank der Schweine.
     
    In der Bar ohne Namen ist es ruhig. Nicht ganz still, aber auch nicht laut. Es gibt keine angeregten, leisen Unterhaltungen, nirgendwo klingen Gläser. Das Licht hinter den Fenstern leuchtet weit durch den Nebel, aber man sieht kaum eine Bewegung. Ich frage mich, ob die Bar vielleicht sogar leer ist. Wir haben unterwegs von einer Raststätte am Hauptrohr aus telefoniert. Eigentlich müsste die Bar voll sein. Wenn niemand gekommen ist, dann ist es vorbei, bevor es begonnen hat. Elisabeth schmiegt sich an mich. Ich bin nicht allein. Wenigstens sie ist und bleibt bei mir. Zwei Menschen gegen eine Armee. Na schön. Dann öffnet sich die Tür, und Sally und Jim tauchen auf. Sie machen etwas Platz, damit eine kleinere Frau vortreten kann: Das ist Leah.
    Ich konnte die Free Company nicht bitten herzukommen. Ich konnte ihnen nicht sagen, was vorging, und erwarten, dass sie mir glauben. Also habe ich es gar nicht erst versucht. Elisabeth Soames ist aus härterem Holz geschnitzt. Sie wusste genau, wie sie es erreichen konnte, wer mir zuhören würde, wer mir etwas schuldig blieb und wer folgen würde. Sie rief Leah an, erklärte ihr, wer sie war und dass sie mit mir zusammen sei. Dann: was geschehen sei, was Gonzo wirklich vorhätte, und wie er hereingelegt worden sei. Ma Lubitsch erzählte sie die gleiche Geschichte, und Ma Lubitsch hat eine Schwäche für Elisabeth Soames und hält sie trotz aller Beweise dafür, dass sie ein umherziehender magischer Racheengel ist und in einem Taubenschlag lebt, für »ein nettes und sehr gut erzogenes junges Mädchen aus Cricklewood Cove«. Ma Lubitsch redete von einer und Elisabeth von der anderen Seite auf Leah ein, bis sich der alte Lubitsch einmischte, damit Leah überhaupt noch etwas Atem bekam. Und als sie etwas sagen konnte, war ihre Antwort sehr einfach und entsprach vermutlich dem, was sie schon längst gesagt hätte, wenn sie nur zu Wort gekommen wäre: Ja.
    So wurden Sally und Jim abermals von Besuchern aus unserem Haus – aus Gonzos Haus – unterbrochen, aber dieses Mal waren sie glücklicherweise beim Essen. Leah erklärte es ihnen, Jim grummelte und Sally starrte. Und dann standen sie auf und schnappten ihre Notfallkoffer, die seit Shangri-La direkt hinter der Schlafzimmertür ständig gepackt bereitstanden. Jim rieb sich über den kahlen Kopf und setzte einen Hut auf. Dann fuhren sie los, um Tommy Lapland und Samuel P. aufzutreiben, die sich in einem Ort, der sehr an Matchingham erinnerte, herumtrieben. Diese vier zerrten Tobemory Trent aus einer Weinprobe und Annie den Ochsen und Egon Schlender aus einer Babyparty. So ging es weiter, bis die ganze Bande versammelt und für den Job bereit war. Nur, dass keiner von ihnen wusste, worum es überhaupt ging.
    Jim Hepsobah sieht mich von oben bis unten an und findet nichts, was ihn auf die Idee bringen könnte, ich sei böse. Wenn Leah mir vertraut und wenn Ma Lubitsch mich akzeptiert (mittlerweile hat sie James V. Hepsobah gründlich ins Gebet genommen, weil er sich so viel Zeit mit dem Heiraten lässt), dann soll es Jim nur recht sein. Sally dagegen ist umsichtiger. Sie ist der Kugelfang, der Scharfschütze, sie zieht die Reißleine, wenn es eng wird, sie ist die Vorwärtsverteidigung, und da sie die Abmachungen besiegelt, ist sie auch diejenige, die sie wieder bricht, sollte es nötig sein. Doch selbst Sally nickt mir kurz zu, dann führen mich die drei in die Bar ohne Namen. Und da stehe ich vor den Leuten, die ich so gut wie kaum jemanden sonst kenne, auch wenn sie mich noch nie gesehen haben.
    Zuerst entdecke ich Annie den Ochsen. Ihre Miene ist ernst und gefasst. Sie hält tatsächlich einen Puppenkopf in der Hand (ich glaube, es ist der Elefant), wie sie es nur bei äußerst wichtigen Anlässen tut. Als sie meinen Blick bemerkt, versucht sie, ihn zu verstecken, aber dann richtet sie sich auf und setzt das Ding energisch vor

Weitere Kostenlose Bücher