Die Genesis-Affäre: Mind Control (German Edition)
war, um wichtige Recherchen per Telefon vorzunehmen. Zu dieser Zeit war niemand in diesem Raum, sodass der Pförtner keine Bedenken hatte, ihm die Tür aufzuschließen.
»Ich melde Sie an, wenn Sie zurückkommen, Herr Bär«, sagte er, als er den Mann hineingehen ließ.
»Einfach nur Bär«, sagte er monoton und verschwand im Konferenzraum, ohne eine Miene zu verziehen. Merkwürdiger Kauz, dachte der Pförtner, als er wieder zu seinem Tresen zurückkehrte, wo bereits der nächste Besucher auf ihn wartete. Geht ja heute zu wie in einem Taubenschlag, ging ihm durch den Kopf. Als der wieder alleine war, rief er den Redakteur an, der heute Chef vom Dienst war und bereitete ihn auf diesen sonderbaren Gast vor, der sich Bär nannte. Durch die Verglasung konnte er ihn sehen und stellte fest, dass er etwas gehetzt wirkte. Er hatte sich zum Telefonieren nicht hingesetzt, was andere normalerweise taten, sondern umrundete unermüdlich den Konferenztisch.
Dem Pförtner wäre Bär noch viel rätselhafter vorgekommen, wenn er gewusst hätte, wen er anrief. Die Nummer, die er gewählt hatte, war eines der Anschlüsse, die zum Schloss Bellevue gehörten. Als sich die dortige Telefonzentrale meldete, verlangte er den Bundespräsidenten in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen. Erwartungsgemäß wurde er nach dem Grund seines Anliegens gefragt und gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass Winter derzeit nicht zu sprechen sei. Auch darauf war er vorbereitet.
»Es ist besser, wenn Sie mich durchstellen!«, betonte Bär. »Sie haben doch bestimmt von dem Bombenanschlag auf das Berliner Funkhaus gehört, nicht wahr?«
Die Telefonistin, die sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen ließ und für solche Anrufe ausgebildet war, blieb gelassen.
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass Herr Bundespräsident Winter im Augenblick nicht zu sprechen ist. Er ist auf dem Weg in eine Pressekonferenz. Rufen Sie bitte später noch einmal an.«
Bär wechselte die Richtung und stieß fast einen der Sessel um, die am Konferenztisch standen. Er war zornig, denn es war für ihn absolut indiskutabel, sich von einer Telefonistin abwimmeln zu lassen.
»Dann holen Sie ihn aus dieser Konferenz heraus«, forderte Bär energisch und fügte eine nachhaltige Bemerkung hinzu, die der Telefonistin eine unbeschreibliche Blässe ins Gesicht trieb.
»Ich gehöre einer Organisation an, die die ganze Stadt in ihrer Gewalt hat. Melden Sie dem Bundespräsidenten, es ginge um Genesis. Er wird mich dann sicherlich sprechen wollen. Davon können Sie ausgehen. Andernfalls wird es Berlin, wie wir es kennen, in Kürze nicht mehr geben.«
Jetzt war es vorbei mit ihrer Selbstsicherheit. Man konnte sie mit unzähligen Seminaren auf alle möglichen Absonderlichkeiten vorbereiten, aber wenn es um eine Erpressung ging, sah die Realität immer anders aus als die Theorie. Erschrocken und mit bebenden Händen wählte sie die Nebenstelle von Winters Sekretärin und hoffte, sie würde ihr jegliche Verantwortung abnehmen.
Winter hatte gerade das Pult erreicht und legte sich sein Skript zurecht, als seine Sekretärin aufgeregt auf ihn zukam. Als sie direkt neben ihm stand, berichtete sie leise von dem Drohanruf, der sich bereits im Schloss herumsprach. Allmählich breitete sich eine allgemeine Verunsicherung aus und im Sicherheitsstab wurden erste Maßnahmen besprochen.
»Meine Damen und Herren, bitte entschuldigen Sie«, sagte Winter souverän, »ich muss in dringender Angelegenheit die Konferenz um voraussichtlich eine Stunde verschieben.« Winter verschwand unverzüglich an der Seite seiner Sekretärin, ohne eventuelle Fragen der Journalisten abzuwarten. Niemand durfte zu dieser Stunde erfahren, was geschehen war, solange nicht geklärt war, was genau der Erpresser vor hatte und wie ernst er zu nehmen war.
»Was ist los?«, fragte Winter auf dem Weg in sein Arbeitszimmer. »Brennt das Bundestagsgebäude?«, scherzte er.
»So ähnlich«, antwortete die Sekretärin und berichtete von dem Anrufer, der immer noch in der Leitung war und behauptete, Berlin in seiner Gewalt zu haben. Winter war fassungslos. Was sollte noch alles an diesem Tag geschehen? Als er sein Arbeitszimmer erreichte, stellte seine Sekretärin das Gespräch durch.
Wird auch Zeit, dachte Bär, als sich Winter meldete.
»Hören Sie mir genau zu«, begann Bär, »ich werde mich nicht wiederholen.« Winter hatte sein Telefon auf Lautsprecher gestellt, sodass seine Sekretärin und zwei
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