Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
von Atomen. Manche dieser Atome sind dann wie auf einer Perlenschnur aufgereiht. Die Atome können aber auch Ringe oder Verzweigungen bilden, oder es kommt zu einer Kombination aus all dem Genannten. Auf gut Deutsch, Moleküle können sehr komplex aufgebaut sein. Sie bestehen vor allem aus Kohlenstoff-und Wasserstoffatomen.
Für das Kochen müssen wir uns fast nur mit diesen komplexen Molekülen beschäftigen – aus ihnen besteht alles Leben. Diese Kohlenstoffverbindungen können, obwohl sie sehr filigran aufgebaut sind, auch sehr stabil sein. Das erklärt auch, warum wir nicht durch eine Tischplatte greifen können. Die Kraft zwischen den einzelnen Atomen in den Molekülen und die Kraft zwischen den einzelnen Molekülen sind größer als die Kraft unserer Hand und den damit verbundenen Kräften zwischen unseren Molekülen. Ist aber die Kraft groß genug, nehmen wir zum Beispiel einen Hammer, um die Tischplatte zu zerstören, so können einzelne Moleküle aufbrechen beziehungsweise kann auch die Kraft zwischen den einzelnen Molekülen überwunden werden. Zerreißen Sie ein Blatt Papier, so haben Sie sicher ein paar Moleküle zerstört.
Gerade die Kohlenwasserstoffmoleküle weisen eine enorme Formenvielfalt auf. Deshalb teilt man auch die Chemie in zwei Bereiche: die organische (Kohlenwasserstoffverbindungen) und die anorganische (der Rest) Chemie. Meist sind die Kohlenwasserstoffmoleküle sehr lang und bestehen aus einigen tausend Atomen. Manche Moleküle behalten die längliche Form bei, während sich andere verkringeln. Warum sich manche verkringeln und andere Moleküle dies nicht tun, wie genau das passiert und wie die verkringelte Form genau aussieht, weiß bis heute niemand. Wer das als Erster beantworten kann, darf nach Stockholm fahren, erhält den Nobelpreis und ein mäßig schlechtes Abendessen ...
Vom kulinarischen Standpunkt ist das Wissen über das Verkringeln gar nicht so wichtig. Wesentlich ist aber, dass die Moleküle unter Temperatureinfluss ihre Form ändern können. Sie verkringeln sich dann anders. Dies kann ebenfalls durch Säuren, Laugen oder Alkohol geschehen. Durch die Formänderung verhalten sich die Moleküle dann anders. Manche lösen sich nicht mehr in Wasser auf, sie flocken aus. Oder sie waren vorher weich und biegsam und werden nachher hart und fest. Es gibt alle Möglichkeiten. Diese Formänderung wird Denaturierung genannt. Wichtig für das Kochen ist zu wissen, bei welchen Temperaturen welche Moleküle denaturieren und was dabei passiert.
Aber, geschätzte Leserinnen und liebe Leser, keine Sorge! Wenn Sie jetzt weiterlesen, werden Sie keine Abhandlung über Chemie und organische Moleküle erhalten – vielleicht nur ein paar kleine, aber für das Kochen wichtige Details. Essenziell ist die Denaturierungstemperatur und was dabei passiert.
Beim Dotter wären das 65 °C, und er wird bei dieser Temperatur hart. Beim Eiklar, damit es vollständig hart und fest ist – sprich denaturiert –, sind das 82,5 °C. Bei diesen Temperaturen verändern die Moleküle ihre Struktur so weit, dass sie fest werden.
Wie lange kocht man ein Drei-Minuten-Ei?
Die letzte Woche war anstrengend, die nächste Arbeitswoche wird auch nicht leichter – also, worauf können wir uns wirklich freuen? Auf ein perfektes weiches Ei, das Eiklar hart und fest, der Dotter weich und cremig, dazu ein Butterbrot und eine Tasse Kaffee, und das Leben hat wieder seinen Sinn ... Aber leider gelingt diese einfache und doch köstliche Speise nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Es gibt viele kleine Fragen zu beantworten, wobei uns die Physik helfen kann.
Sollte man das Ei in kaltes oder in heißes Wasser legen? Arbeitet man immer mit demselben Topf und bereitet man sich immer die gleiche Menge an Eiern zu, so kennen wir aufgrund unserer Erfahrung die richtige Kochdauer. Doch kommt ein zusätzlicher Gast oder ist der Topf gerade nicht verfügbar, so scheitern die Bemühungen: Die Eier werden nicht perfekt weich. Manche Menschen akzeptieren dann, dass nicht alle Eier perfekt weich sind. Entweder ist das Eiweiß noch nicht vollständig geronnen oder der Dotter schon zu hart. Variiert die Wassermenge, die Topfgröße oder die Zahl der Eier, so kann keine verlässliche Zeitangabe mehr gemacht werden. Ein weiter Topf mit zehn Mal so viel Wasser benötigt mehr Zeit, um heiß zu werden als ein kleiner hoher Topf. Umgekehrt ist es vollkommen egal, wie viel Wasser sich in einem Topf befindet, wenn es kocht. Daher sollten
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