Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Kommt das Ei aus dem Kühlschrank, oder hat es Raumtemperatur? Auch dafür gibt es eine Formel:
Der Durchmesser d des Eies wird in Millimeter angegeben – an der schmalsten möglichen Stelle –, T Wasser ist die Temperatur des kochenden Wassers, also rund 100 °C. Das Ei kann aus dem Kühlschrank stammen, oder es wurde bei Raumtemperatur gelagert. Die Starttemperatur T Starttemperatur beträgt meist zwischen 4 °C (Kühlschrank) und 20 °C (Raumtemperatur). Die gewünschte Endtemperatur des Inneren des Eies wird in T Innentemperatur angegeben. Falls Sie ein weiches Ei haben möchten, dann sollte der Wert T Innentemperatur = 62 °C und bei einem harten Ei T Innentemperatur = 82 °C betragen. Wenn man in die Formel einsetzt, erhält man die Kochdauer t in Minuten – physikalisch ungewöhnlich, aber praktisch. Alle, die mit dem Logarithmus ( ln ) kämpfen, können sich mit einer einfachen Schablone behelfen. Ausschneiden, die schmalste Stelle des Eies zwischen die beiden Laschen geben und im Bereich, wo es den Rand berührt, die Zeit für Eier aus dem Kühlschrank beziehungsweise für die Raumtemperatur ablesen.
Wie man auf der Schablone leicht erkennen kann, dürfen kleine Eier nur drei Minuten kochen. Diese Eier erhält man heute nur sehr schwer, früher waren sie aber üblich. Meist verspeiste man gleich zwei von diesen kleinen Eiern zum Frühstück.
Nachdem das Ei richtig gekocht wurde, muss man es nur mehr kurz abschrecken, also kurz mit kaltem Wasser übergießen. Wie schon oben erwähnt, führt dies nicht zu einer besseren Schälbarkeit. Trotzdem sollte es durchgeführt werden, damit das Ei nicht weiterkocht. Es ist noch viel Wärme im Inneren des Eies gespeichert – deshalb verbrennen wir uns die Finger, wenn wir das Ei schälen. Wärme fließt immer von wärmeren Objekten zu kälteren. Für das Ei bedeutet dies, dass einerseits die Wärme nach außen abgegeben wird. Andererseits wird auch Wärme vom heißen, gestockten Eiklar zum etwas kälteren, noch flüssigen Dotter abgegeben. Weiche Eier, die abgeschreckt wurden, sollten Sie sofort verspeisen.
Warum darf man Eier nicht zu hart kochen?
Natürlich sollte man auch harte Eier abschrecken – denken Sie sich. Aber warum eigentlich wirklich? Die Restwärme sorgt nur dafür, dass das Ei im Inneren eine Spur wärmer wird, aber härter kann es nicht werden – sollte man meinen.
Kocht man Eier zu lange oder ist noch zu viel Restwärme gespeichert, so wird das Eiklar zäh, und zwischen dem Dotter und dem Eiklar bildet sich ein grüner Rand. Riecht man ganz vorsichtig an diesem Rand, so nimmt man einen unangenehmen Geruch war – der Geruch von fauligen Eiern. Schwefelwasserstoff H2S, eine hochgiftige Substanz, liegt in der Luft. Aber bitte keine Panik, diese Eier können Sie ohne Bedenken verspeisen oder verschenken. Schwefelwasserstoff ist zwar ähnlich giftig wie Blausäuregas (HCN), aber wir riechen es schon in sehr geringen Mengen. Will man diesen Geruch öfter haben, so kann man die Eier auch mit einem Silberlöffel essen. Dabei entstehen diese besonders geruchsaktiven „Aromen“. Während des Kochens setzt der Dotter Eisen und das Eiklar Schwefelwasserstoff frei. Beide Stoffe verbinden sich zu Eisensulfat, was den bläulichgrünen Rand erklärt. Auch Eisensulfat ist gesundheitsschädlich, aber wiederum ist die Konzentration sehr gering.
Deshalb verwendet der Profi auch keinen Silberlöffel für das weiche Ei, sondern einen Löffel aus Horn oder Kunststoff. Die Schwefelwasserstoffe des Eies verbinden sich mit dem Silber des Löffels zu Silbersulfid. Das führt dann zu einem unangenehmen Belag des Silberlöffels, und außerdem schmeckt das Ei auch nicht besonders gut. Verwendet man aber einen Löffel aus Horn oder Kunststoff, dann tritt garantiert keine geschmackliche Veränderung ein.
Wenn wir schon beim Silber sind: Wie reinigt man es? Ich kann mich noch gut erinnern, als meine Mutter ein paar Tage vor Weihnachten begann, das schöne Silberbesteck zu putzen. Nur zu Weihnachten wird das gute Besteck verwendet, während sich übers Jahr eine grauschwarze Patina (Silbersulfid) bildet. Den ganzen Abend war die Mutter nicht ansprechbar, die Schweißperlen rannen ihr von der Stirn, und die Familie suchte das Weite. Aber die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert, seitdem ich ihr einen kleinen Trick aus der Naturwissenschaft verraten hatte, den ich hiermit an Sie weitergebe: Legen Sie das Silberbesteck gemeinsam
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