Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Sie die Eier immer in kochendes Wasser legen. Wollen Sie ganz genau sein, so reicht es, wenn das Wasser 82 °C hat, denn bei dieser Temperatur beginnt das Eiweiß zu denaturieren.
Manche von Ihnen werden nun einwenden, dass dadurch die Eier platzen können. Stimmt, aber nur, wenn man die Eier nicht richtig behandelt. Essigwasser würde zwar die Eierschale, die aus Calciumcarbonat besteht, zerstören, aber das dauert einige Stunden, bis die Säure der Eierschale wirklich zusetzt. Der Essig hat jedoch eine andere Aufgabe: Sollte ein Ei brechen, so sollte das Eiklar so schnell wie möglich gerinnen, um damit die Bruchstelle abzudichten. Dies funktioniert auch, aber besser ist es, wenn das Ei überhaupt nicht bricht.
Viele meinen, dass die sich ausdehnende Luftblase für das Brechen der Eier verantwortlich ist. Aber mithilfe der Physik kann man sich das schnell ausrechnen. Für ideale Gase – Luft erfüllt diese Bedingung zumindest in erster Näherung – gibt es einen einfachen Zusammenhang: Das Luftvolumen wächst proportional zur Zeit. Pro einem Grad Celsius dehnt sich das Volumen um 1/273 aus. Damit können wir uns ausrechnen: Wenn die Luftblase mit einem Kubikzentimeter Größe im Ei um 80 °C erhitzt wird, vergrößert sich das Volumen um 0,293 cm 3 . Also haben wir eine Volumszunahme von rund einem Drittel. Damit könnten wir uns zufrieden geben und der Luftblase die Schuld zuschieben. Aber Luft nimmt die Wärme nur sehr langsam auf. Würde die Luftblase für das Springen des Eies verantwortlich sein, so würde das Ei erst gegen Ende des Kochvorganges springen. Wir wissen aber, dass dem nicht so ist. Das Ei springt in den ersten Sekunden, nachdem wir es ins Wasser gelegt haben. Suchen wir nach dem wahren Grund für das Springen von Eiern: Einerseits können sich kleinste Dampfbläschen im Eiweiß, das einen hohen Wasseranteil besitzt, bilden. Diese Dampfbläschen können das Ei sprengen. Andererseits können dickere Schalenteile sich nicht so gut ausdehnen wie dünnere.
Betrachten wir die unterschiedlichen Fälle im Einzelnen. Wenn sich Wasser im Eiweiß ausdehnt, wird es größer. Die Luft in der Luftblase ist komprimierbar, und so sollte das Ei eigentlich nicht platzen. Wird das Ei aber zu schnell in das Wasser gelegt, so wird sich das Eiweiß direkt unterhalb der Eierschale ausdehnen, Dampfbläschen entstehen, ein gewaltiger Druck wird auf das Ei ausgeübt. Die Luftblase kann den Druck nicht kompensieren. Deshalb sollten Sie das Ei vorsichtig bis zur Hälfte mit einem Löffel in das heiße Wasser führen, mehrmals im heißen Wasser drehen und erst dann vollständig einlegen.
Der zweite Fall, warum Eier springen können, ist der wahrscheinlichere. Die Kalkschale ist nicht gleichförmig dick. Es gibt Stellen, die dicker sind als andere. Die dünnen Stellen können die Wärme schneller aufnehmen. Fast alle Körper dehnen sich aus, wenn sie erwärmt werden. Damit dehnen sich die dünneren Bereiche etwas stärker aus als die dickeren. Als Resultat dieser unterschiedlichen Ausdehnungen entstehen im Inneren der Eierschale Spannungen, die mitunter zum Bruch führen. Am einfachsten lösen Sie dieses Problem dadurch, dass Sie Entlastungssprünge anbringen – ein kleines Loch am Po des Eies genügt. Dabei entstehen viele kleine Sprünge in der Eierschale, und die unterschiedlich dicken Bereiche können, ähnlich wie die Kontinente auf der Erde bei der Plattentektonik, aneinanderreiben. Dafür gibt es jetzt sogar schon eigene Geräte, mit denen man kleine Löcher in die Eierschale applizieren kann. Vor diesen Geräten möchte ich aber warnen – sie sind besonders spitz und sorgen für ein wunderbares Loch im Ei, aber es entstehen nicht immer Entlastungssprünge. Ich nehme daher einen kleinen Löffel und schlage diesen auf den Po des Eies, bis kleine Brüche entstehen.
Wie lange muss man nun ein Drei-Minuten-Ei kochen? Eine komische Frage, die aber berechtigt scheint. Unter einem Drei-Minuten-Ei versteht man ein Ei, das exakt drei Minuten lang gekocht wurde und danach perfekt ist: Das Eiweiß ist geronnen und das Eigelb noch weich. Kochen Sie jedoch heutzutage ein Ei drei Minuten lang, so wird das Eiweiß gerade von dem heißen Wasser geküsst – aber vollständig geronnen ist es nicht. Früher, also vor rund hundert Jahren, waren die Eier noch kleiner. Damals stimmte die Angabe mit den drei Minuten. Heute sind die Eier aber größer. Zusätzlich hat die Lagertemperatur einen wichtigen Einfluss auf die Kochdauer.
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