Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
des Dotters befindet. Das Eiklar besteht aus verschiedensten Proteinen. Das wichtigste mit einem Anteil von 54 Prozent ist das Ovalbumin, das erst bei 84,5 °C erstarrt. Das Conalbumin gerinnt schon bei 62,5 °C und hat einen Anteil von zwölf Prozent. Ich möchte Sie nicht mit der Liste von Proteinen im Eiklar langweilen, aber ein spezielles Protein aus den vielen will ich noch hervorheben: das Ovomucin, das zwar nur einen Anteil von dreieinhalb Prozent des Eiklars aufweist und bei 70 °C denaturiert, aber für die Schaumbildung, den Eischnee enorm wichtig ist. Es befindet sich rund vier Mal so viel Ovomucin im dickflüssigen Anteil des Eiklars als im übrigen Eiklar.
Der Dotter besteht aus Fett, Wasser und Proteinen. Damit sich das Wasser und das Fett nicht voneinander trennen, gibt es sogenannte Netzmittel. Diese werden bei der Mayonnaise genauer besprochen. Der Dotter beginnt bei einer Temperatur von 65 °C hart und fest zu werden.
Die Bestandteile des Eies
Damit können wir ein spannendes Experiment durchführen. Kaufen Sie bitte ein paar Eierkartons und gehen damit in die Sauna. Dort gibt es Stufen, auf denen es sich die Besucher bequem machen. Auf den unteren Stufen nehmen normalerweise die Anfänger Platz, oben sind die Profis, denen es nicht heiß genug sein kann. Stellen Sie nun auf jede der Stufen einen Karton. Aus eigener Erfahrung empfehle ich Ihnen, niemandem zu erklären, warum Sie dies tun. Stellen Sie ganz ruhig die Kartons auf, und entspannen Sie sich. Natürlich können Sie auch die Sauna verlassen. Aber nach 40 Minuten sollte man die Eier wieder mitnehmen und zu Hause aus jedem Karton ein Ei über einer Schüssel vorsichtig öffnen. Sie werden feststellen, dass bei dem Ei aus einem Karton der Dotter hart und fest ist, während das Eiklar noch flüssig ist. Ein Teil des Eiklars ist zwar leicht milchig, aber es ist eindeutig flüssig. Wenn man das noch nie gesehen hat, ist man sehr verblüfft. Man würde es nicht erwarten.
Aber mithilfe der Physik lässt sich dieses Phänomen leicht erklären. Der Dotter gerinnt bei 65 °C. Darum können wir uns sicher sein, dass auf dieser Stufe eine Temperatur von mindestens 65 °C geherrscht hat. Der Hauptanteil des Eiklars gerinnt aber erst bei Temperaturen von über 65 °C. Er wird also flüssig bleiben. Nur das Conalbumin gerinnt bereits bei 62,5 °C. Da es aber nur zu zwölf Prozent im Eiklar vorhanden ist, hat es kaum einen Beitrag zur Festigkeit des Eiklars. Mit diesem Experiment kann man zeigen, dass es erst bei bestimmten Temperaturen zu Veränderungen im Ei kommt. Unter diesen Temperaturen passiert rein gar nichts.
Viele glauben, dass die Temperatur von innen nach außen in das Ei eindringt. Dies ist richtig, aber leider gibt es auch ein Missverständnis. Es liegt in der Annahme, dass der Dotter erst dann hart wird, wenn die Temperaturerhöhung durch das Ei gedrungen ist. Dies ist so einfach gesagt, aber leider nicht immer richtig. Die Temperatur kann nichts verursachen. Erst bei einer bestimmten Temperatur kann etwas passieren. Die Temperatur kann nicht einfach eindringen, sondern es wird etwas warm und weist dann eine bestimmte Temperatur auf. Dringt die Wärme in das Ei ein und liegt die Temperatur unter 62 °C, passiert nichts; liegt die Temperatur bei 65 °C, wird der Dotter hart; liegt die Temperatur bei 82 °C, wird das Eiweiß hart. Es kann aber passieren, dass das Eiweiß zwar 82 °C, der Dotter aber unter 65 °C aufweist – dann erhalten wir ein weiches Ei.
Was geschieht eigentlich, wenn Eiklar oder allgemein gesagt Proteine hart und fest werden? Dazu eine kurze Einführung über die Moleküle. Die gesamte Welt besteht aus Atomen. Es gibt rund 96 verschiedene Arten von Atomen. Im Universum ist Wasserstoff am weitesten verbreitet, dicht gefolgt von Helium, Kohlenstoff, Sauerstoff, Eisen und auch Stickstoff. Diese Atome können sich zu Molekülen zusammenschließen. Diese Atome bilden dann ein Molekül. Das bekannteste Molekül ist wohl Wasser. Es besteht aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff. Wenn wir Luft einatmen, so atmen wir Stickstoffmoleküle, bestehend aus zwei Stickstoffatomen, Sauerstoffmoleküle, bestehend aus zwei Sauerstoffatomen, und ein paar Edelgasatome, wie Helium oder Argon, ein. All diese Moleküle sind sehr einfach gebaut. Solange keine allzu großen Kräfte auf die Moleküle einwirken, bleiben die Atome auch zusammen. Es gibt aber wesentlich komplexere Moleküle. Diese bestehen aus Tausenden
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