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Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Titel: Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Gruber
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einer Kette aneinandergereiht. Die Reihenfolge und die Art der Aminosäuren bestimmen, um welches Protein es sich handelt. Der menschliche Körper kommt mit 20 Aminosäuren aus. Da diese so wichtig sind, werden sie als kanonische Aminosäuren bezeichnet. Es gibt natürlich noch mehr als die 20 Standard-Aminosäuren, aber für das Kochen haben diese wenig Bedeutung.
    Ab etwa 140 °C verbinden sich Aminosäuren unter Abgabe von Wasser mit Zucker. Dabei entstehen hochreaktive Verbindungen, deren Endprodukte als Melanoide bezeichnet werden. Diese klingen gefährlich, können es auch sein, sind es aber meist nicht. Sie sorgen für das wunderbare Aroma von geröstetem Kaffee, den atemberaubenden Geruch eines Schweinsbratens, den köstlichen Duft eines Gulaschs und den unvergleichlichen Geschmack einer Brotkruste. Bei all diesen Beispielen ist die Maillard-Reaktion federführend. Man sollte hier eigentlich nicht von einer Reaktion sprechen, sondern von vielen Reaktionen.
    Das Problem besteht nur darin, dass die meisten Einzelreaktionen und ihre Endprodukte noch gar nicht bekannt sind. Ohne die Maillard-Reaktion würde unser Essen fad schmecken, trotz der Gewürze, die wir kennen. Es stellte sich sogar heraus, dass die Maillard-Reaktion den Verderb von Eiweißprodukten, wie zum Beispiel Fleisch, etwas verzögern kann. Je höher die Temperatur ist, der die Aminosäuren und der Zucker ausgesetzt sind, umso stärker wird die Maillard-Reaktion auftreten. Dies kann man sich zunutze machen. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass ab einer Temperatur von über 220 °C karzinogene Verbindungen auftreten können. Das bedeutet jetzt nicht, dass wir das Backrohr nicht über 220 °C betreiben dürfen. Unser Körper kann mit Karzinogenen umgehen, zumindest wenn es nicht zu viele über einen längeren Zeitraum sind.
    Durch das scharfe Anbraten bei höheren Temperaturen wird die Maillard-Reaktion ausgelöst, und das Fleisch erhält einen wunderbaren Geschmack, ohne dass wir würzen müssen. Die Maillard-Reaktion können wir noch verstärken, indem wir das Fleisch in etwas Mehl wälzen. Dadurch steht auf der Oberfläche mehr Zucker zur Verfügung, und damit bilden sich auch mehr Aromastoffe. Sie können es natürlich auch übertreiben, indem Sie Staubzucker verwenden. Aber dann müssen Sie höllisch aufpassen, dass auf der Oberfläche nicht zu rasch zu viele neue Moleküle gebildet werden, folglich das Fleisch schwarz wird. Auch das ist eine Maillard-Reaktion, allerdings eine unerwünschte.
     
    Schwierigkeiten bereitet uns noch das Fleisch. Können wir durch eine besondere Auswahl besseres Fleisch kaufen, das sich nicht so schnell zusammenzieht? Auch hier ist die Frage nicht so einfach zu beantworten. Es zeigt sich, dass Rinder aus der Turbomast mehr Wasser und weniger Kollagen anlagern. Brät man sich ein solches Stück Fleisch, so erlebt man ein großes Debakel. Also sollte man sogenanntes Biofleisch verwenden. Ohne jetzt den Begriff Biofleisch genau zu definieren, muss man aber auch hier mit einigen Überraschungen rechnen.
    Nehmen wir eine Herde glücklicher Kühe, die auf einer romantischen Weide Alpenkräuter grasen. Sie fühlen sich wohl und bewegen sich ausgiebig, wenn sie möchten, werden persönlich betreut und tragen auch alle einen eigenen Namen. Nun gut, dann kommt der Moment der Entscheidung. Die Tiere werden geschlachtet, und nach ein paar Wochen der Lagerung gelangen sie in den Handel. Unmittelbar nach der Schlachtung darf das Fleisch nicht zu rasch abkühlen, es würde sonst dauerhaft hart und zäh werden. Die Temperatur sollte über 10 °C betragen. Erst danach kann man die Temperatur des toten Fleisches senken – auf rund 2 °C. Bei der anschließenden Reifung wird durch Enzyme aus dem Glycogen Milchsäure. Diese schützt das Fleisch vor dem weiteren Verderb, zumindest in einem geringen Umfang. Gleichzeitig sorgt die Säure dafür, dass das Fleisch einen besseren Geschmack bekommt. Dieser Prozess führt zur Totenstarre. Nach zwei bis drei weiteren Tagen löst sich diese Starre, andere Enzyme bauen die Milchsäure wieder ab. Leider führt diese Art und Weise der Reifung zu einem Gewichtsverlust. Somit kann man nur weniger Fleisch verkaufen. Zusätzlich kostet die Lagerung bei geringen Temperaturen auch einiges, vor allem im Hochsommer.
     
     

     
    Jetzt hat man Glück und kennt einen Fleischhauer, der das Fleisch hat lange genug abhängen lassen. Dadurch wurde viel Kollagen zerstört, das Fleisch sollte zart und

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