Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
mürbe sein. Es kostet etwas mehr als Fleisch aus einer Supermarktkette, und trotzdem zieht sich das Fleisch in der Pfanne zusammen. Warum? Das kann zwei Gründe haben. Erstens ist der Fleischhauer ein tüchtiger Geschäftsmann, der sich selbst gut, aber schlechte Ware verkauft. Oder es liegt an den glücklichen Kühen selber. Auf unserer romantischen Almwiese, versetzt mit den besten Gräsern, wird es Kühe geben, die „sportlich“ sind, und Kühe, die einfach faul herumliegen. Die „sportlichen“ Kühe bewegen sich mehr, sie wollen ja aus gesundheitlichen Gründen länger leben, und dadurch bilden sie stärkere Sehnen aus. Das Fleisch ist kräftiger, es ist mehr Kollagen vorhanden. Die faulen Kühe leben zwar genauso lang wie die gesundheitsbewussten, aber sie bewegen sich weniger. Dadurch lagert sich weniger Kollagen an. Das Fleisch ist von Haus aus schon mürber.
Jetzt muss natürlich der Fleischhacker erkennen, ob das Rind „sportlich“ oder „faul“ war. Wild, das als besonders sportlich gilt, sollte rund vier Wochen abgehangen sein, nur dann ist das Fleisch mürbe. Also kann es bei Rindern passieren, dass das Fleisch einfach zu wenig gelagert wurde. Leider ist dies auch für einen Fachmann nicht immer leicht erkennbar. Dies erklärt auch, warum Rindfleisch aus Argentinien so besonders zart ist. Oftmals wird damit argumentiert, dass sich diese Tiere viel bewegen. Dies wäre aber kontraproduktiv. Der Grund ist ein anderer. Die Tiere werden in Argentinien geschlachtet und dann auf großen Kühlschiffen nach Europa transportiert. Dieser Transport dauert meist etwas länger als die Lagerzeit in den hiesigen Schlachthäusern. Durch längere Reifung wird das Fleisch einfach mürber.
Aber auch Sie können zu Hause zähes Fleisch noch lagern. Geben Sie das ganze Stück oder die einzelnen Scheiben in eine verschließbare Dose, gießen ausreichend Öl darauf und warten ein paar Tage. In der Regel wird das Fleisch dann besser. Das Öl sollte geschmacksneutral sein, außer Sie möchten das Fleisch schon damit marinieren. Bedenken Sie, dass die Marinade nur zehn Millimeter pro Tag im Fleisch zurücklegt.
Es gibt noch eine andere Methode – streng physikalisch, aber etwas martialisch. Als die ersten Atombomben gebaut wurden, gab es zwei Konstruktionsprinzipien. Bei der Uranbombe wurde ein Uranstab in eine Kugel aus Uran hineingeschossen. Die Kugel hatte in der Mitte eine Aussparung, in die der Stab genau hineinpasste. Wenn der Stab exakt in der Mitte der Urankugel ist, wird die kritische Masse überschritten, und es tritt eine Kettenreaktion ein. Die Bombe explodiert. Dies ist die einfache Variante. Bei der komplizierteren Art, wie bei der Plutoniumbombe, muss man anders vorgehen. Man erreicht nicht so einfach die kritische Masse. Die Plutoniumatome sind normalerweise zu weit voneinander entfernt. Sie müssen lange genug zusammengebracht werden, damit eine stabile Kettenreaktion zustande kommt. Um dies zu erreichen, wird um einzelne Segmente aus Plutonium, die zusammen eine Kugel bilden, etwas Sprengstoff angebracht. Er führt dazu, dass die einzelnen Segmente so stark zusammengedrückt werden, dass es zu einer Kettenreaktion kommt. Das Problem besteht nun darin, den richtigen Sprengstoff zum richtigen Zeitpunkt zu zünden. Alle Segmente müssen zum richtigen Zeitpunkt miteinander verschmelzen. Ein wesentlicher Teil des Manhattanprojekts (Bau der ersten Uran-und Plutoniumbombe im Zweiten Weltkrieg) bestand in der Erforschung der richtigen Sprengstoffkombination. Um die Verletzungsgefahr gering zu halten, ließ man die Sprengstoffe in einem Swimmingpool explodieren. Dass die Forschung von Erfolg gekrönt war, wissen wir seit der Plutonium-Atombombenexplosion in Nagasaki im August 1945.
Einer der Techniker, die an der Entwicklung der Sprengstoffe beteiligt waren, stellte sich eine interessante Frage: Was würde passieren, wenn sich eine Person oder ein Tier in dem Swimmingpool befindet, wenn eine Explosion stattfindet? Dieser Techniker, dessen Name leider nicht überliefert ist, erzählte seine Gedanken dem amerikanischen Techniker Solomon Morse. Dieser überlegte und probierte das Ganze aus – natürlich nur mit toten Tieren. Die Rinderhälfte wurde in eine Tonne mit Wasser gepackt und ausreichend Sprengstoff gezündet. Er stellte fest, dass das Fleisch ungleich mürber wird – besser, als wenn man es lange abhängen lässt. Er entwickelte die Technik weiter, optimierte die Sprengstoffmenge und ließ auch das
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