Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
nach ein paar Minuten die Finger verbrennt. Warum? Die Wärmeleitung ist schuld daran. Die Teilchen in der Suppe bewegen sich sehr schnell, und sie prallen auf den Schöpfer. Jedes Mal, wenn ein schnelles Teilchen der Suppe ein langsames Teilchen des Schöpfers trifft, wird das Teilchen des Schöpfers zu einer weiteren Bewegung angeregt. Allerdings können sich die Teilchen, aus denen der Schöpfer besteht, nicht einfach quer durch den Raum bewegen. Sie müssen im Gegensatz zu den „Suppenteilchen“ an ihrem Ort verharren. Wieso kann man dann in einem Festkörper von einer Bewegung von Teilchen sprechen? Nun, die Teilchen können sich zwar nicht frei bewegen, aber um den Gitterplatz schwingen oder um ihre eigene Achse rotieren. Je schneller die Teilchen rotieren oder je schneller sie um ihren Gitterplatz schwingen, umso höher ist die Temperatur.
Jedes Mal, wenn von außen ein Teilchen, sei es ein Atom oder ein Molekül, auf den Silberlöffel einschlägt, werden die Moleküle an der „Einschlagstelle“ etwas schneller rotieren oder schwingen. Dadurch erhöhen sich die Wärme und die Temperatur des Silberlöffels – auf der Oberfläche. Allerdings können auch die Moleküle auf der Oberfläche des Silberlöffels ihre Bewegungsenergie an andere Teilchen im Schöpfer weitergeben. Wenn ein Teilchen besonders schnell schwingt, kann es an andere Teilchen anstoßen und diese zum Mitschwingen anregen. Dadurch wird die Bewegungsenergie auf einen größeren Bereich verteilt. Nach einer bestimmten Zeit bewegen sich alle Teilchen des Schöpfers durchschnittlich mit der gleichen Geschwindigkeit. Es herrscht dann ein Gleichgewichtszustand. Wenden wir unser theoretisches Wissen auf echte Lebensmittel an.
Warum sprengt man Fleisch? – das perfekte Steak
Wir haben ein Stück Fleisch, ein Kotelett, eine Scheibe von der Schweinsschulter oder ein kräftiges T-Bone-Steak. Dies sollte nun perfekt zubereitet werden. Dafür brauchen wir eine Pfanne, ein paar Tropfen Öl und einen Herd, der Einfachheit halber verwenden wir einen Elektroherd.
Wenn wir die Pfanne auf die Herdplatte stellen, so ist darauf zu achten, dass sie waagrecht ohne irgendeinen Abstand darauf steht. Wärmeleitung kann nur dann funktionieren, wenn es einen direkten Kontakt gibt. Wird die Herdplatte immer wärmer, so schwingen ihre Moleküle schneller. Da die Herdplatte die Pfanne berührt, werden auch die Moleküle der Pfanne zum Schwingen angeregt. Die Pfanne wird heiß.
Am besten geben wir in die Pfanne ein paar Tropfen Öl. Wenn das Öl schön heiß ist, können wir das Fleisch hineinlegen. Ab wann ist die Pfanne heiß genug? Sie wissen sicher, dass man dies mit einem Tropfen Wasser feststellen kann. Sobald der Wassertropfen zu spritzen beginnt, haben wir eine Temperatur von über 100 °C, aber besser wären 170 °C. Dies kann man mit ein paar Bröseln feststellen. Wenn die Brösel binnen weniger Sekunden braun werden, so ist die Pfanne heiß genug. Dann legen wir das Fleisch in die Pfanne. Nun beginnen spannende Prozesse abzulaufen. Betrachten wir diese der Reihe nach.
Gerne wird immer behauptet, dass man Fleisch bei hohen Temperaturen anbraten muss, damit sich die Poren schließen. Diese Aussage ist falsch, auch wenn sie von einigen Fernsehköchen oftmals wiederholt wird. Nur durch mehrmaliges Wiederholen wird nichts richtig. Dieses Vorurteil geht auf den berühmten Chemiker Justus von Liebig (1803–1873) zurück. Er stellte diese Hypothese auf, überprüfte sie aber nur mangelhaft. Lassen Sie uns doch gemeinsam diesen Mythos überprüfen. Nehmen Sie ein Stück Rindfleisch, es muss ja nicht gerade der Lungenbraten sein, und geben dieses Stück Fleisch in eine Fritteuse. Es soll in ihr eine wirklich hohe Temperatur herrschen. Wenden Sie das Fleisch vielleicht einmal, damit ganz sicher alle „Poren geschlossen“ werden. Legen Sie danach das Fleisch auf einen Teller und warten eine Minute. Dann nehmen Sie das Fleisch vom Teller und werden eine Saftlacke entdecken. Wo kommt denn, bitte schön, der Saft her? Die Poren sollten doch alle verschlossen sein! Also ist die Hypothese widerlegt, der Mythos zerstört.
Trotzdem sollten Sie das Fleisch bei einer möglichst hohen Temperatur anbraten. Das hat gute Gründe. Fleisch besteht aus weichem Eiweiß und zähem Kollagen, welches das Eiweiß umhüllt. Erhöhen wir die Temperatur, so wird als Erstes das Eiweiß gerinnen. Dies passiert bei Temperaturen ab 71 °C. Das Molekül Myoglobin denaturiert. Aus ihm wird
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