Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
das Molekül Metmyoglobin. Das Myoglobin hat die Aufgabe, den Sauerstoff über ein Eisenion für die Muskelzelle bereitzustellen. Es arbeitet ähnlich wie das Hämoglobin, das im Blut für die Verteilung des Sauerstoffes sorgt. Bei der Umwandlung von Myoglobin in das Metmyoglobin verliert das ursprüngliche Molekül sein Eisenatom und kann dann keinen Sauerstoff mehr binden. Das Metmyoglobin weist auch eine andere Farbe auf. Das Fleisch verändert seine rosa Farbe und wird graubraun. Viele glauben, dass die rötliche Farbe des Fleisches vom Blut stammt, aber im Fleisch befindet sich sicher kein Blut mehr. Dass Innereien wie Leber ihre Farbe beim Braten nicht verändern, hängt damit zusammen, dass sich in den Innereien kein Myoglobin befindet. Während der Denaturierung der Proteine der Muskelfasern wird auch Wasser abgespaltet. Gelangt dieses in die Pfanne, wird das Fleisch trocken.
Während das Eiweiß denaturiert, was wir uns ja durch den Temperatureinfluss wünschen, läuft noch ein anderer Prozess ab, den wir nicht vernachlässigen dürfen: Er betrifft das Kollagen. Kollagen wandelt sich bei niedrigeren Temperaturen von 60– 80 °C in Gelatine um, aber nur, wenn das Fleisch auch lange genug erhitzt wird. Diesen Prozess können wir hier vergessen, da das Fleisch ja bloß kurz angebraten wird. Aber es gibt noch einen zweiten Prozess: Das Kollagen zieht sich bei Temperaturen ab 60 °C zusammen. Bei Fischen liegt diese Temperatur schon bei 45 °C. Das heißt, dass sich das Fleisch zusammenzieht, und dabei wird der Fleischsaft herausgepresst.
Wir kennen alle den Effekt bei einem Rindschnitzel. Wir kaufen bei einem Fleischhacker ein Rindschnitzel. Er schneidet es vielleicht etwas zu großzügig runter, und wir denken uns, dass es für das Abendessen vielleicht doch zu groß ist. Aber was soll es, der Tag war hart genug, und man leistet sich ja sonst auch nichts. Am Abend zu Hause angekommen, erhitzen wir die Pfanne, geben etwas Fett hinein, und bei der richtigen Temperatur legen wir das Rindschnitzel hinein. Dann räumen wir den restlichen Einkaufskorb aus, und ein paar Minuten später packt uns das blanke Entsetzen: Wo ist das Rindschnitzel hingekommen? Es liegt nur mehr ein kleines Bröckchen Fleisch einsam und verlassen in der Pfanne. Man sieht diesem kleinen Stückchen richtig die Angst an, so allein in der Pfanne schmoren zu müssen.
Ich glaube, wir alle kennen dieses Phänomen. Das ist auch der Grund, warum man bei Fleisch, das man kurz anbrät, den Rand einschneidet. Meist verläuft durch den Rand eine große Kollagenfaser. Zieht sich diese zusammen, so wölbt sich das Schnitzel auf, und der Kontakt zur Pfanne wird verkleinert. Das sieht einerseits schlecht aus, andererseits kann das Schnitzel nicht mehr gleichmäßig erwärmt werden.
Man sollte noch erwähnen, dass zwar das Fleisch kleiner wird, aber gleichzeitig entsteht viel Saft in der Pfanne. Dieser Saft, so gut er auch schmecken mag, führt dazu, dass das Fleisch trocken wird.
Zusammenfassend laufen folgende Prozesse ab:
1. Das Myoglobin denaturiert. Dabei verändert das Fleisch seine Farbe, und Wasser wird im Inneren des Fleisches abgespalten.
2. Das Kollagen zieht sich zusammen. Dadurch wird der Fleischsaft herausgepresst.
3. Es entsteht ein Geflecht von denaturiertem Eiweiß, wobei Wasser freigesetzt wird.
4. Als Resultat wird das Fleisch trocken, aber wir erhalten einen guten Saft.
Wie lässt sich ein solches Debakel vermeiden? Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Temperatur nicht über 65 °C steigen darf und sich damit das Kollagen nicht zusammenzieht. Diese Variante wird als Niedertemperaturverfahren bezeichnet. Darüber werden wir gleich sprechen. Die zweite Variante sieht vor, dass man das Fleisch nur möglichst kurz erhitzt. Je kürzer wir das Fleisch einer hohen Temperatur aussetzen, umso schneller ist es fertig und umso weniger Fleischsaft wird aus dem Fleisch herausgepresst. Diese Variante führt uns noch zu einem weiteren wichtigen Effekt: zur Maillard-Reaktion.
Der Chemiker Louis Camille Maillard (1878–1936) interessierte sich für Aminosäuren und wie diese mit Zucker reagieren. Ein paar Worte zu den Aminosäuren. Sie sind quasi die Lego-Bausteine, aus denen die Proteine aufgebaut sind. Neben den Proteinen gibt es noch Fette und Zuckermoleküle, aber der Rest besteht aus Aminosäuren. Jedes unterschiedliche Protein ist aus anderen Aminosäuren aufgebaut. Die Aminosäuren sind im Protein wie Perlen auf
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