Die gepluenderte Republik
weit über 100 Mio. Euro im Tunnel verschwunden sein werden.
Ausgerechnet die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung wurde laut Bundesrechnungshof bei einem Neubau in Berlin vom damaligen SPD-Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee »bevorzugt behandelt«. Das Konferenz- und Verwaltungsgebäude im Botschaftsviertel der Hauptstadt wurde mit 19 Millionen Euro aus Steuergeldern finanziert und ist nach Ansicht der Rechnungsprüfer zu kostspielig. Besonders pikant: Unter anderem war im Ministerium der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kasparick (SPD) mit dem Vorhaben befasst. In den neunziger Jahren leitete er das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sachsen-Anhalt. Bauminister Tiefensee gehört dem Kuratorium der Stiftung an. 220
Und finanziert wird all das auch und vor allem vom deutschen Steuerzahler.
10. Der Ehrenamtliche ist der Dumme
Vor diesem Hintergrund erweist sich das Hohelied der Politik auf das Ehrenamt als purer Zynismus.
In Deutschland sind rund 23 Millionen Menschen über 14 Jahren ehrenamtlich in Vereinen, Verbänden, Initiativen oder Kirchen tätig. Viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens würden ohne Ehrenamtliche kaum mehr existieren. Ob Kinderbetreuung oder Altenpflege, Krankenbetreuung oder Behindertenhilfe, Telefonseelsorge oder Freiwillige Feuerwehr, Umweltschutz oder Sportvereine, Bewährungshilfe oder Tierschutz und nicht zuletzt der Katastrophenschutz: Eindrucksvoller können diese Menschen, die ohne einen Cent Gegenleistung wertvolle Aufgaben erfüllen, das neoliberale Menschenbild vom raffgierigen »homo oeconomicus« kaum widerlegen. Allerdings: Dass diese selbstlosen Menschen nach der neoliberalen Theorie im Gegensatz zu den skrupellosen »rationalen« Profitjägern als »irrational« gelten, ist so falsch ja nicht. Während sich gewisse Kreise die Taschen vollstopfen, bis die Hosennaht platzt, und den Staat ausnehmen bis zum Abwinken, springen diese »armen Irren« stets dann ein, wenn infolge der Staatsplünderung Geld fehlt: Eltern renovieren zum Nulltarif Klassenzimmer und ganze Schulgebäude, damit sich ihr Nachwuchs in völlig verrotteten Räumen nicht am Ende noch die Krätze oder Rattenbisse einfängt. Ähnliches Engagement zeigt sich auch bei der Betreuung älterer oder chronisch kranker Menschen.
So ehrenvoll derlei ehrenamtliche Tätigkeit auch ist, so ist sie doch im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung und etwa der Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu sehen. Ehrenamtliche übernehmen zusehends Aufgaben, die früher vom Sozialstaat wahrgenommen wurden.
Nun hat die Sache aber einen gewaltigen Haken: Internationale Langzeitstudien 221 haben nämlich ergeben, dass sich Menschen umso mehr ehrenamtlich engagieren, je umfassender die staatliche Sozialfürsorge ausgebaut ist, wie etwa in Schweden und den Niederlanden. Zieht sich hingegen ein Staat – wie etwaDeutschland oder die USA – aus seiner sozialen Verantwortung zurück, so nimmt die Bereitschaft zum Ehrenamt rapide ab. Der Soziologieprofessor Wolfgang Engler fasst zusammen: »Soziales Kapital wird in der Lebenswelt gebildet, bleibt an soziale, rechtliche, infrastrukturelle Rahmenbedingungen gebunden … Wo der Staat sozial abrüstet, abdankt, entfernen und entfremden sich die Menschen voneinander, … schläft ihr sozialer Sinn unwiderruflich ein.« 222
Dieser Zusammenhang leuchtet unmittelbar ein: Die meisten Menschen helfen gern, wenn Not am Mann oder an der Frau ist. Bekommen sie aber das Gefühl, ausgenutzt zu werden, blenden sie sich häufig aus und schalten auf stur. Und wer den Bessergestellten ein Steuergeschenk nach dem anderen macht oder den Konzernen die Milliarden hinterherwirft und dann kein Geld mehr für soziale Aufgaben hat, dem nimmt man es nicht ab, wenn er an die Normalbürger appelliert, sie sollten nicht immer gleich nach dem Staat rufen. Viele Ehrenamtliche allerdings geben notgedrungen der Erpressung nach: Schulen müssen ja renoviert, Alte und Kranke betreut werden, auch wenn der Staat diese Pflichten vernachlässigt.
Interessanterweise verhalten sich die Marktradikalen seltsam ruhig. Dabei müssten sie doch gegen jegliches Ehrenamt Sturm laufen.
Schließlich nehmen renovierende Eltern den Handwerkern und ehrenamtliche Sozialhelfer den entsprechenden Privatfirmen die Aufträge weg. Andererseits – und hier zeigt sich einmal mehr das strukturelle Dilemma der Marktwirtschaft – würde es infolge Geldmangels des Staates diese Aufträge ja gar nicht geben.
Ein extremes
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