Die gepluenderte Republik
Beispiel ehrenamtlichen Zupackens lieferten die Fans des Ostberliner Traditions-Fußballclubs Union Berlin. Beim Neubau des Stadions halfen 2000 Freiwillige mit insgesamt 140 000 Arbeitsstunden.
Das nennt man Marktwirtschaft: Leistungsloses Einkommen und unbezahlte Arbeit scheinen sich prächtig zu ergänzen.
Hinzu kommt eine tragikomische Folge der Marktwirtschaft: Gerade die ehrlich uneigennützigen Helfer nehmen anderen die Arbeitsplätze weg. Wer »nützliche Idioten« für Krankenpflege und Altenbetreuung, Renovierung öffentlicher Gebäude oder Instandhaltung von Parks findet, der wird natürlich nicht die entsprechenden Fachkräfte einstellen. Statt dass also die ehrenamtliche die professionelle Tätigkeit ergänzt, stehen sich beide in unserer schönen Marktwirtschaft geradezu feindlich gegenüber. Perverser noch: Auch wer mangels Geld diesmal selbst renoviert, ist an der Pleite so manch einer Malerfirma mit schuldig, und wer gar seine Bohrmaschine und andere Werkzeuge in der Nachbarschaft verleiht, trägt am Umsatzrückgang der entsprechenden Hersteller und der Baumärkte eine Mitverantwortung.
11. Die Plünderung der Öffentlich-Rechtlichen
Warum steigen ständig die Fernsehgebühren, wo doch das Programm immer dürftiger wird? Ein Grund liegt in der hemmungslosen Ausplünderung der öffentlich-rechtlichen Sender durch eigene Mitarbeiter, wie ein besonders bizarrer und doch typischer Fall zeigt: Im Sommer 2009 suspendiert der NDR seine Fernsehspielchefin Doris J. Heinze, die in dieser Funktion 18 Jahre lang über einen Millionenetat verfügen konnte. Auch die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein. Vorwurf: Die geschäftstüchtige Dame nahm Drehbücher ihres Mannes Claus Strobel an, die der unter dem Pseudonym Niklas Becker eingereicht hatte. Laut NDR-Regeln aber dürfen Mitarbeiter des Senders keine Arbeiten von Angehörigen ankaufen und betreuen. Darüber hinaus drehte sie dem Sender auch eigene Drehbücher an,und zwar zum doppelten Preis – 94 000 statt der üblichen 47 000 Euro. Das Ganze unter dem Pseudonym Marie Funder-Donoghue mit frei erfundener Biographie.
Tatort
-Autor Felix Huby erklärte dazu dem
Spiegel:
»Es haben immer alle gewusst.« Zudem sei Heinze zwar »in dieser Dreistigkeit« ein Einzelfall. »Aber es kommt öfter vor, dass Leute, die im Sender sitzen und dort ein hohes Gehalt beziehen, sich die Geschichten von Autoren unter den Nagel reißen.«
Selbst renommierte Regisseure wie Dominik Graf, dessen Filme gerne als Beweis für Qualitätsbewusstsein der Öffentlich-Rechtlichen angeführt werden, sehen die Korruption einer Doris Heinze nicht als bloßen Betriebsunfall: »Ich frag mich unwillkürlich als Erstes: Wer kommt nach Doris Heinze in diese Position? Und werden jetzt wieder neuerliche Aufsichtsgremien gegründet, neue Controller von den Sendern beauftragt, die mit ihrem unsäglichen Roland-Berger-Deutsch das TV- Programm noch mehr systematisch veröden und verblöden lassen?« 223
Die damalige Lektorin Loretta Wollenberg erinnert sich: »Dass sowohl Frau Heinze als auch Herr Strobel unter Pseudonym selbst schrieben und dass ich mich davor hüten sollte, eventuell eins der entsprechenden Werke negativ zu bewerten, davor wurde ich bereits zu Beginn meiner Tätigkeit von Redaktionsmitgliedern eindringlich gewarnt.« 224
Auch das unverantwortliche Zocken mit dem Geld der Gebührenzahler stellt eine Ausplünderung dar. So rügte der sächsische Landesrechnungshof im April 2009, der MDR habe 537 Millionen Euro in riskanten Spezialfonds angelegt, die wegen der Wirtschaftskrise Millionen an Wert verloren hätten. Noch dazu habe der Sender den vertretbaren Anteil risikobehafteter Geldanlagen überschritten: Obwohl nur 35 Prozent erlaubt seien, hat der Anteil laut Prüfbericht im August 2005 bei 49,82Prozent gelegen. Laut Rechnungshof hatte der MDR zwischen 1994 und 1999 sieben Spezialfonds aufgelegt, die Ende 2000 einen Wert von knapp 625 Millionen Euro hatten. Wegen dramatischer Kursverluste sank der Wert der Rücklagen bis Ende 2002 auf rund 464,7 Millionen Euro. 225
Aber auch Rechnungshöfe sind nicht unfehlbar. So nehmen sich Bayerns oberste Rechnungsprüfer ausgerechnet das Kulturprogramm des BR-Hörfunks vor. Und in bester neoliberaler Manier schlagen sie im August 2009 die Privatisierung der beiden Orchester und des Chores (Sammelbegriff »Klangkörper«) vor. Grund: Obwohl das Symphonieorchester, das Rundfunkorchester und der Chor im Jahr 2004 fast 20 Prozent des
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